Erding:Corona belastet auch das Amtsgericht

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Im Amtsgericht Erding bleibt die Arbeitsbelastung hoch. (Foto: Stephan Görlich)

Es gibt zwar weniger Verfahren im Straf- und Zivilrecht, bei Familienangelegenheiten aber wird die Lösungssuche schwieriger

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Rein rechnerisch sinkt die Belastung am Erdinger Amtsgericht: statt zu 152 Prozent wie 2020 waren die Richter im vergangenen Jahr nur noch zu 130 Prozent ausgelastet, wie die Direktorin am Amtsgericht, Ingrid Kaps, sagt. "Wir haben immer noch gut zu tun." Gründe für die Entlastung seien einerseits im Rückgang bei den Verfahren im Straf- und Zivilrecht zu finden, andererseits bei der Aufstockung der Richterstellen. Kaps erwartet aber spätestens nach Ende der Corona-Pandemie wieder einen Anstieg. Massiv zugenommen hat die Zahl der Menschen in Abschiebehaft - um 68 Prozent.

Im Zivilbereich arbeite das Gericht immer noch teilweise Verfahren aus der Zeit vor der Corona-Pandemie ab. "Es gibt immer noch genügend Flugausfälle und -verspätungen aus den Jahren 2018 und 2019. Es war aber im letzten Jahr ein Rückgang um rund 23 Prozent zu sehen", sagt Ingrid Kaps. 2021 waren es dennoch immer noch 6916 Verfahren im Zivilrecht. 6097 betrafen Verhandlungen im Zusammenhang mit Reisen. Pro Richterstelle bedeutet dies laut Kaps, dass rund 60 Fälle im Monat rein kommen. "Die Leute wollen wieder weg, wollen auch fliegen", sagt Kaps. Und deshalb würden die Zahlen wohl dann auch wieder steigen. Das Amtsgericht Erding ist zuständig für Streitfälle am Münchner Flughafen, da der zum Teil auf Erdinger Flur liegt. Deshalb müsse das Gericht deutlich mehr Zivilfälle bearbeiten als andere Gerichte mit der gleichen Größe.

Die Fälle sind teilweise stressbeladener

Beim Familienrecht sei die Zahl der Fälle mit 1191 fast gleich geblieben (1228 im Vorjahr). 508 davon betrafen Scheidungen. Wegen Corona könne man am Erdinger Amtsgericht keine Scheidungswelle feststellen. "Wenn sie kommt, dann wird sie erst noch kommen, da man ja das Trennungsjahr abwarten muss", sagt Kaps. Auch bei den Fällen, in denen es um das Sorgerecht und den Umgang geht, sei die Zahl fast gleich. "Was wir schon merken, ist, dass es teilweise stressbeladenere Fälle sind. Es wird schwieriger, eine Lösung zu finden. Den Stress, den Corona in den Familien hinein trägt, den merken wir schon."

Einen geringen Anteil bei den Fallzahlen verzeichnet das Amtsgericht bei Ordnungswidrigkeiten (Geldbußen) im Zusammenhang mit Verstößen gegen Corona-Auflagen, zum Beispiel was das Tragen von Masken angeht oder Ausgangssperren. Rund 20 Mal wurde deshalb am Gericht verhandelt. "Es war kein großer Ansturm. Die Verfahren selber dauern aber oft länger. Es wird umfangreich verhandelt. Mit Zeugen, zum Teil mit medizinischen Zeugen. Leute aus der "Querdenker"-Szene sind dann auch nicht so einfach, um es mal so zu sagen."

Die Zahl der Abschiebungen nimmt deutlich zu

Dafür nahm die Zahl der Menschen in Abschiebhaft im vergangenen Jahr stark zu. Sie stieg von 187 im Jahr 2020 auf 316. "In den Zeiten ohne Lockdown wurde abgeschoben", sagt Ingrid Kaps. Auch in diesem Jahr seien es bereits rund 50 gewesen. "Wir sind da gut dabei."

Neue Richterin ist seit kurzem Marietta Thies. Die 27-Jährige ist je zur Hälfte Erding und dem Amtsgericht Freising zugeordnet. In Erding ist sie für Zivilstreitigkeiten zuständig. Sie hat mit dem Jurastudium in Jena begonnen, in Erlangen schrieb sie ihr erstes Staatsexamen und ihr Referendariat machte sie in Bamberg, wo sie verschiedene Stationen durchlief. Unter anderem Zivil- und Familiensachen, aber auch Strafrecht. Privat liebt sie den Reitsport, wie sie bei der Vorstellung im Amtsgericht sagt. 23 Richter sind damit zurzeit in Erding beschäftigt. Davon sind 15 Frauen. Acht der Richter sind aber in Teilzeit beschäftigt. Auch hier sei das Gericht, wie bei der Gesamtzahl der Beschäftigten, weiblich geprägt, wie Ingrid Kaps sagt. "Das ist allgemein bei der Justiz so." Insgesamt sind 108 Personen beschäftigt. 85 sind Frauen.

Amtsgerichtsdirektorin Ingrid Kaps (rechts) und Marietta Thies, neue Zivilrichterin in Erding. (Foto: Gerhard Wilhelm/oh)

Für ihre Mitarbeiter hat die Direktorin nur lobende Worte. Trotz der vielen Arbeit, Corona-Pandemie und räumlicher Einschränkungen sei die Stimmung und der Zusammenhalt weiter "riesig groß". Es gebe niemanden, der nicht mitziehe. "Insgesamt sind die letzten zwei Jahre eine Herausforderung gewesen. Für alle, nicht nur für das Gericht."

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