Amtsgericht Erding:Positive Prognose rettet 21-Jährigen vor Knast

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Jugendgerichtshilfe sieht Angeklagten trotz etlicher Vorstrafen nunmehr auf einem guten Weg

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Dann hoffen wir mal, dass es bei ihnen so positiv weiter geht." Trotz der optimistischen Prognose der Jugendgerichtshilfe hatte Jugendrichter Michael Lefkaditis noch etwas Restzweifel, dass der 21-jährige Angeklagte wirklich auf dem Weg zurück in ein straffreies Leben ist. Es war nicht das erste Mal, dass der junge Mann vor Gericht stand. Diesmal war es aber nur eine "Kleinigkeit". Weil er mit Freunden im Mai vergangenen Jahres auf der sogenannten Mayr-Wirt-Insel im Erdinger Stadtpark außerhalb der Öffnungszeiten gefeiert hatte, musste er sich wegen Hausfriedensbruchs verantworten. Positiv ging zumindest dieses Verfahren für den Angeklagten aus. Es wurde vorläufig eingestellt, da ihn das Landgericht Landshut im Dezember wegen anderer Delikte bereits zu eineinhalb Jahren Jugendstrafe auf Bewährung verurteilt hatte. "Da noch einen Monat draufsatteln, bringt als erzieherische Maßnahme auch nichts", sagte Richter Lefkaditis.

Auf der Insel ging es am 15. Mai 2020 hoch her, wie auch der Angeklagte zugab. Zunächst sei man zu viert vom Kino zum Stadtpark gezogen - schon angetrunken. Auf dem Weg habe die Gruppe weitere Freunde getroffen und dann auf der Mayr-Wirt-Insel weiter getrunken. Den Radau, den die Acht-Mann-Party machte, blieb nicht unbemerkt. Jemand informierte die Polizei, die zu Dritt anrückte, wie eine Beamtin vor Gericht berichtete. Ein paar hätten noch versucht, sich hinter einem Gebüsch zu verstecken. Was aber wenig Sinn gemacht habe, da man auf die Insel nur über eine Brücke rauf und runter kommen, "oder schwimmend", wie die Polizeibeamtin sagte. Da alle das Betretungsverbot der Insel außerhalb der Öffnungszeiten missachtet und dabei sogar ein geschlossenes Tor überstiegen hatten, habe man sie kontrollieren wollen, wobei sich jedoch bis auf einen alle jungen Männer sehr "unkooperativ" verhalten hätten - auch der Angeklagte.

Der sagte, dass er sich durch das Verhalten der Beamten drangsaliert gefühlt habe. Er sei damals betrunken gewesen und letztendlich sei "alles Scheiße gelaufen". Jedenfalls hatten alle Hausfriedensbruch begangen und da alle acht in verschiedenen Haushalten lebten, auch noch gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen - man war mitten im ersten Lockdown.

Erst im vergangenen Jahr hatte Richter Lefkaditis den damals 20-Jährigen auf der Anklagebank gesehen - und wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung verurteilt. Er war am 3. Januar 2020 zuerst im Bel Air Club ausgerastet und hatte anschließend einen Verwüstungszug durch den Weg Am Herzoggraben angetreten und die Turmschieber-Skulptur beschädigt. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte Einspruch eingelegt, am Landgericht jedoch damit Schiffbruch erlitten. Inzwischen waren auch noch andere Straftaten bekannt geworden und das Urteil vom Amtsgericht Erding wurde sogar erhöht - angesichts seines Vorstrafenregisters mit der Ermahnung, dass die Strafe nur "ausnahmsweise" noch zur Bewährung ausgesetzt werde. In der Vergangenheit war es bereits zu Verurteilungen wegen unerlaubten Handels mit Marihuana und Diebstahl gekommen. Die Jugendgerichtshilfe hatte ihm damals eine "deutliche Reifeverzögerung" bescheinigt. Und die Prognose waren eher schlecht, da er sich wenig einsichtig zeigte.

Doch der junge Mann überraschte alle: seinen neuen Betreuer, die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe und Richter Lefkaditis. Vor allem seit einem Familienurlaub im vergangenen Sommer, wo man ihm wohl ordentlich ins Gewissen geredet habe, sei er wie verwandelt. Er sei einsichtig, kümmere sich selbständig um seine ihm auferlegten Beratungstermine, trinke keinen Alkohol und nehme auch keine Drogen mehr. Sogar um einen Ausbildungsplatz bemühe er sich, sagte die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe. "Es läuft gut." Jugendrichter Lefkaditis sah deshalb auch keinen Sinn darin, die Landgerichtsstrafe noch zu erhöhen. Der vorläufigen Einstellung des Verfahrens stimmte auch der Staatsanwalt zu.

© SZ vom 01.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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