Amtsgericht Erding:Letzter Schuss vor den Bug

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Vorbestrafter 27-Jähriger wird zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt - ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Sowohl Richter Björn Schindler als auch sein Anwalt redeten nach der Urteilsverkündigung dem 27-jährigen Angeklagten ins Gewissen: Wenn er sich die nächsten vier Jahre auch nur eine Kleinigkeit zu Schulden kommen lässt, jemanden zum Beispiel beleidigt, schlägt oder Alkohol oder Drogen konsumiert, dann wird wohl seine Bewährung widerrufen und er muss die verhängte Freiheitsstrafe von acht Monaten antreten. Und wie sich Gefängnis anfühlt, muss der heute 27-Jährige wissen. Er hat schon öfters gegen Bewährungsauflagen verstoßen und musste deshalb eine Jugendstrafe absitzen. Diesmal war er am Amtsgericht Erding wegen Körperverletzung, Beleidigung und wegen zweifachen Verstoßes gegen die Auflage, sich jeglichen Drogen- und Alkoholkonsums zu enthalten, angeklagt.

Die Einträge im Bundeszentralstrafregister sprachen eigentlich gegen eine erneute Bewährungsstrafe. Selbst die Hafterfahrung habe ihn bisher nicht abgehalten, erneut Straftaten zu begehen, sagte die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Für ihn spreche auch nicht das Strafregister. Und in dem war die erste Straftat 2010 erfasst, wegen neunfacher Sachbeschädigung. Dem folgten ein Jahr später räuberische Erpressung, schwerer Raub, gefährliche Körperverletzung und Diebstahl. Drei Jahre darauf vorsätzliche und fahrlässige Körperverletzung, wofür er sechs Monate Jugendstrafe erhielt und acht Monate für den unerlaubten Besitz von Drogen 2015. Beides zunächst zur Bewährung ausgesetzt und dann widerrufen, weil er sich nicht an die Auflagen gehalten hatte. Im vergangenen Jahr kam dann noch eine vorsätzliche Körperverletzung dazu, für die er zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 27 Euro verurteilt wurde. Rund 1000 Euro müsse er davon noch zahlen, sagte der 27-Jährige vor dem Amtsgericht.

Diesmal wurde ihm von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, dass er am 24. Juli vergangenen Jahres gegen 4.50 Uhr vor einem Backshop in Erding einem anderen einen Kinnhaken verpasst habe und ihn dann auch noch als "Hurensohn" bezeichnet habe. Abgesehen davon, dass er wenig Schönes über dessen Mutter sagte. Dazu kam, dass er heuer bereits zwei Mal mit den Abbauprodukten von Kokain und Alkohol in seinem Blut erwischt wurde. Beide Drogen muss er aber nach richterlichen Auflagen strikt meiden. Die Staatsanwaltschaft sah in diesen Auflagenverstößen die Basis für mögliche weitere Straftaten.

Vor Gericht ging sein Verteidiger nach der Verlesung der Anklageschrift in die Offensive und bat um ein Rechtsgespräch mit dem Amtsrichter und der Staatsanwältin. Das Ergebnis nach rund zwanzig Minuten: sein Mandant ist voll umfänglich geständig, dafür wird ihm eine Haftstrafe zwischen sieben und zehn Monaten in Aussicht gestellt, ausgesetzt auf vier Jahre zur Bewährung. Die letzte Verurteilung zu einer Geldstrafe solle aber nicht in das neue Urteil einbezogen werden. Er soll ruhig die Strafe weiter finanziell spüren.

Mit dem Fehlen von Alkohol und Drogen habe er inzwischen kein Problem mehr, sagte der Angeklagte. Obwohl er jetzt seit März in einer Wirtschaft arbeite und damit jeden Tag mit Bier in Kontakt komme. Bei den beiden Verstößen gegen die Auflagen habe er Kokain genommen "um einfach wieder Spaß zu haben". Und den Faustschlage habe er verpasst, weil der andere seine damalige Freundin beleidigt habe. Mittlerweile habe er aber wieder freiwillig Termine bei der Suchtberatung Prop. Auch das Modellprojekt "Phönix" in München habe ihm geholfen. Ziel des Projekts ist es, Gewaltbereitschaft durch gruppenpädagogische Maßnahmen möglichst individuell und effektiv zu begegnen und auf diese Weise die Wahrscheinlichkeit für einen Rückfall zu reduzieren.

Sein Geständnis rechnete ihm Richter Björn Schindler hoch an. Es habe damit eine Beweisaufnahme erspart. Seine auch einschlägigen Vorstrafen würden aber nicht gerade für ihn sprechen. Er hoffe, dass die Therapien dem Angeklagten auch helfen und er künftig Auseinandersetzungen aus dem Weg gehe und nicht wieder "die Fäuste sprechen" lasse. "Das ist Ihre allerletzte Chance. Das müssen Sie in Ihrem Kopf abspeichern, das muss Ihnen klar werden."

© SZ vom 14.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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