Amtsgericht Erding:Nachbarschaftsstreit eskaliert im Kellergang

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Paragraf 184b des Strafgesetzbuches regelt Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte. Wer dagegen verstößt, wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft. (Foto: Oliver Berg/dpa)

Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung endet mit Freispruch der Angeklagten. Letztendlich steht Aussage gegen Aussage.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Nein, er werde einer Mediation, einem Täter-Opfer-Ausgleich, nicht zustimmen, sagte der 81-Jährige. Er wolle mit der 59-jährigen Angeklagten nichts mehr zu tun haben, geschweige denn mit ihr reden. Und fast am Schluss der Verhandlung am Amtsgericht Erding, in der die 59-Jährige wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt war, brachen die Beweggründe für die Ablehnung bei seiner Vernehmung als Zeuge aus ihm heraus: Alle im Haus würden wollen, dass sie auszieht, sie sei "brutal und rabiat".

Ob es dazu kommt, bleibt offen. Entgegen der Hoffnung des 81-Jährigen wurde die Anklagte nicht verurteilt. Amtsrichter Björn Schindler sprach die 59-Jährige frei, da letztendlich Aussage gegen Aussage stand.

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Laut der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft sollte die 59-Jährige am 21. April diesen Jahres dem 81-Jährigen zehn Mal mit einem Schlüsselbund auf den Kopf und Händen geschlagen haben. Er soll dadurch erhebliche Schürfwunden erlitten haben. Der Schlüsselbund wurde von der Staatsanwaltschaft als Waffe eingestuft. Nach Paragraf 224 des Strafgesetzbuches liegt nämlich eine gefährliche Körperverletzung vor, wenn diese "mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges" erfolgt.

Als Waffe wird jeder Gegenstand bezeichnet, "der dazu bestimmt ist, einem Menschen erhebliche Verletzungen zuzufügen, indem er auf den Körper einwirkt". Der Tatort: ein schmaler Kellergang in einem Mietshaus in Erding, in dem nach Aussage der Frau neun Parteien leben.

Die Angeklagte sei "wie eine Furie" auf ihn zugekommen

Was sich in dem Gang abspielte, dafür wurden vor Gericht zwei Versionen vorgetragen. Laut dem 81-Jährigen habe er ihr dort ausweichen wollen, sie sei aber "wie eine Furie" mit fuchtelnden Armen auf ihn zugekommen. Unvermittelt habe sie auf ihn dann eingeschlagen und gesagt, dass sie jeden schlage, der ihr entgegen komme und er solle sie doch schlagen. Was er nicht getan habe, weil seiner Meinung es schlimmer sei, "sie mit Verachtung" zu strafen. Er habe sie nur mit einem Besen davon abgehalten, weiter zuzuschlagen.

Die Geschichte der Angeklagten begann ebenfalls in dem Gang, aber das war es mit der Gemeinsamkeit. Sie habe ihm ausweichen wollen, aber er habe sie dort mit der Schulter angerempelt. Anschließend sei er aggressiv auf sie zugegangen und sie habe, um ihn auf Abstand zu halten, mit dem Schlüsselbund vor ihm gewedelt. Er habe es trotzdem geschafft, ihr zweimal leicht gegen das Schienbein zu treten. Während sie auf seine Füße geachtet habe, habe er ihren Arm mit dem Schlüsselbund nach oben gedrückt und ihr einen Faustschlag aufs linke Auge versetzt, wobei ein Glas ihrer Brille herausgefallen sei. Das blaue Auge zwei Tage später habe ihre Tochter damals fotografiert. Bei seinem Schlag habe ihr Schlüsselbund wohl seine Stirn erwischt und er habe aus einer Wunde geblutet. Danach sei er abgezogen, wobei er sie wüst beleidigt habe, was ein anderer Nachbar gehört habe.

Der Konflikt schwelt schon länger und es gibt gegenseitige Anzeigen

Bei den Aussagen kam heraus, dass es im Haus unter den Nachbarn schon länger schwelt und gegenseitige Anzeigen gibt. Die Angeklagte berichtete, dass es im Oktober 2022 schon zu einem Streit mit dem 81-Jährigen gekommen sei, weil sie seiner Meinung nach dessen Wäscheleine benutzt habe, um Wäsche aufzuhängen, dabei gehöre diese allen im Haus. Er habe sie damals massiv beleidigt und mit Fäusten bedroht. Sie habe sich damals bei der Hausverwaltung per E-Mail beschwert über dessen Verhalten und sei ihm von da an aus dem Weg gegangen. Auch mit einer im Haus lebenden Frau habe es Streit gegeben. Weil sie sich bei der Hausverwaltung über deren Lärm beschwert habe, sei sei von ihr verprügelt worden. Die Anzeige habe aber nichts gebracht, das Verfahren sei eingestellt worden. So richtig hätten sie und ihr Mann wohl nie ins Haus gepasst, seit sie vor 15 Jahren eingezogen seien. Sie seien lange Zeit die einzigen Berufstätigen im Haus gewesen.

Bei seiner Aussage verstrickte sich der 81-Jährige dann aber in Widersprüchen zu seiner Aussage bei der Polizei nach dem Vorfall. Damals sagte er aus, dass er sie schlagen wollte, wenn sie nicht aufhöre, vor Gericht wollte er davon aber nichts wissen, dies sei ihm neu. "Dann haben Sie aber gelogen, entweder damals oder heute", sagte Amtsrichter Schindler zum 81-Jährigen.

Die Verletzungen des 81-Jährigen lassen sich mit beiden Versionen erklären

Nach Beendigung der Beweisaufnahme kam auch die Staatsanwältin nur zu einem Schluss: Was am 21. April tatsächlich im Keller passiert ist, kann nicht rekonstruiert werden, es gibt nur gegenseitige Anschuldigungen, differierende Aussagen und Widersprüche. Da die Schuld der Angeklagten nicht zweifelsfrei bewiesen werden könne, bleibe nur ein Freispruch, dem sich Schindler anschloss. Die Verletzungen des 81-Jährigen würden sich mit beiden Versionen erklären lassen, es gebe kein objektive Beweise. Und im Zweifelsfall heiß es: "In dubio pro reo" - im Zweifelsfall für den Angeklagten.

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