"Zusammenfassend können wir sagen, dass unsere Auftragsbücher im vergangenen Jahr extrem gut gefüllt waren - besser wohl noch als in der Wirtschaft." Amtsgerichtsdirektorin Ingrid Kaps klang bei der Vorstellung der Jahresbilanz 2013 ganz wie eine zufriedene Chefin eines florierenden Unternehmens. Doch es war nur ein ironisch gemeinter Vergleich. Denn wenn die 14 Richterinnen und Richter sowie die 69 weiteren Mitarbeiter des Amtsgerichts im vergangenen Jahr weniger zu tun gehabt hatten, wäre ihnen das sicher lieber gewesen.
Steigende Verfahrenszahlen vor allem bei den Zivilsachen haben am Erdinger Gericht erneut zu einer in Bayern überdurchschnittlich hohen Arbeitsbelastung geführt. Dennoch wurden die Fälle - und das ist erstaunlich - trotzdem deutlich schneller abgearbeitet, als das an bayerischen Gerichten im Durchschnitt der Fall gewesen sei, sagte Kaps.
Für die Zunahme an Verfahren, die mit der Schaffung einer zusätzlichen Richterstelle etwas abgemildert worden ist, waren in erster Linie eine ganz bestimmte Art von Zivilstreitigkeiten verantwortlich. Die Zahl der sogenannten Reisevertragsklagen ist erneut nach oben geschnellt. Dabei geht es an dem für den Münchner Flughafen zuständigen Erdinger Amtsgericht fast immer um dasselbe: Flüge waren verspätet oder fielen aus, wodurch die Passagiere Anspruch auf eine Entschädigung bekamen. Die Höhe der von den Fluggesellschaften zu leistenden Zahlungen ist zwar genau festgelegt. Dennoch wird darüber zunehmend vor Gericht gestritten. In den vergangenen vier Jahren hat sich die Zahl derartiger Verfahren etwa verdoppelt. Mittlerweile machen sie mehr als die Hälfte aller in Erding behandelten Zivilsachen aus. Bei den Straf- und Familiensachen, Betreuungen, Nachlass- und Grundbuchangelegenheiten blieb die Zahl der Verfahren hingegen relativ konstant.
Ein Anbau ist nicht möglich
Auch wenn die Zunahme der Arbeitsbelastung durch die Schaffung neuer Stellen zumindest teilweise aufgefangen worden ist, ist ein Problem noch ungelöst: Das Amtsgericht platzt räumlich aus allen Nähten. Die Zahl der Büros ist nicht ausreichend und es bräuchte dringend einen vierten Sitzungssaal. Da ein Anbau nicht möglich ist, werden nun 200 Quadratmeter Büroflächen außerhalb des Gerichtsgebäudes zur Anmietung gesucht. Angebote seien vorhanden, sagte Kaps. Die Mühlen der staatlichen Verwaltung mahlen jedoch langsam. Die Anmietung von externen Büroräumen muss über die Immobilienverwaltung des Freistaats laufen und vom Oberlandesgericht abgesegnet werden - das dauert.
Ein allgemeiner Trend manifestiert sich in Erding derzeit exemplarisch, sagte Kaps: "Die Justiz wird zunehmend weiblicher." Frauen sind bei den Richtern mittlerweile in der Zwei-Drittel-Mehrheit. Bei den übrigen Mitarbeitern sind es gut 70 Prozent. Bei der landesweiten "Woche der Justiz" Ende Mai steht für das Amtsgericht allerdings ein anderes Thema ganz oben auf der Agenda: Die Gewinnung von zukünftigen Justizbeamten. Das Amtsgericht veranstaltet unter dem Titel "Coole Jobs bei der Justiz" am 23. Mai in der Kreismusikschule einen Infotag vor allem für Schülerinnen und Schüler, die ein Jahr vor dem Erwerb der Mittleren Reife stehen. Den Jugendlichen soll dabei der Beruf eines Justizfachwirtes, Gerichtsvollziehers oder Justizvollzugsbeamten schmackhaft gemacht werden. All diese Berufe sei "doch sehr vielseitig", sagte der Leiter der Abteilung für Strafsachen am Amtsgericht, Stefan Priller. Die stellvertretender Amtsgerichtsdirektorin Gabriele Reichert wies daraufhin, dass die Justizberufe auch deshalb sehr attraktiv seien, weil es "eine Vielzahl an Teilzeitmodellen" gebe. Und eines scheint sowieso sicher: Die Justiz bietet krisensichere Arbeitsplätze.