Amtsgericht Erding:320 000 Euro im Koffer versteckt

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Obwohl der Versuch der Geldwäsche nicht bestätigt werden kann, sieht das Gericht die Beschlagnahme des vielen Geldes als rechtens an

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wenn in einem Koffer 320 000 Euro sind, ist das per se noch kein Grund Verdacht zu schöpfen. Wenn das Geld aber in Form von 50 Euro-Scheinen versteckt ist und die Besitzerin beim Zoll eine eher unglaubwürdige Geschichte erzählt, dann kann schon der Verdacht aufkommen, dass das Geld aus kriminellen Geschäften stammt. Das dachte sich auch der Zoll und stellte das Geld am Flughafen München sicherheitshalber sicher. Ein Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Björn Schindler musste jetzt klären, ob die Beschlagnahme rechtens war oder das Geld wieder herausgegeben werden muss. Die Anwälte der Frau meinten, dass es zu Unrecht beschlagnahmt sei, weil man nicht klären habe könne, woher das Geld stammt. Damit sei keine Geldwäsche nachgewiesen. Das Gericht fand, es reiche der Verdacht und damit sei das "eigenständige Einziehungsverfahren" rechtmäßig. Der Eigentümer des Geldes müsse nachweisen, woher es stamme.

Eines musste Richter Schindler zugeben: "Es ist einiges schief gelaufen" seit man am 16. Januar 2020 das Geld am Flughafen München in dem Koffer entdeckt hatte. An dem Tag war eine 29-jährige Chinesin am Flughafen gelandet. Sie kam aus Madrid und wollte weiter nach Shanghai fliegen. Bei der routinemäßigen Kontrolle des in Madrid eingecheckten Koffers wurden vier Chipdosen und je drei Kaffee- und Keksbeutel voller Bargeld entdeckt. Die Aufgeberin des Koffers wurde vor dem Einchecken nach Shanghai abgefangen. Ihre Story, nachdem sie erst nur den Besitz von 2500 Euro im Handgepäck eingeräumt hatte: Sie sei Bedienung in einem Asia-Restaurant in der Slowakei gewesen, aber jetzt arbeitslos, und ein Freund habe sie gebeten, in Spanien Geld abzuholen und nach China zu bringen. Alles in bar, weil man den chinesischen Behörden nicht traue. Verwendet werden sollte das Geld zur Bezahlung von Waren und um Schulden zu begleichen. In Madrid sei sie abgeholt worden, berichtete sie weiter, und ein Freund ihres Freundes, ein Herr "Awei", habe sie zu einer Wohnung gefahren, wo sie den Koffer erhalten habe. In Shanghai hätte man ihr dann per Handynachricht gesagt, wo sie den Koffer hinbringen sollte. Sie habe das schon einmal gemacht, damals über Frankfurt und sie habe in China den Koffer an einer Bushaltestelle übergeben.

Die Ermittlungen, die das Zollamt München im Rahmen eines sogenannten Clearingverfahrens anstellte, um die Herkunft des Geldes herauszufinden, versandeten aber. Dass es sich um Geldwäsche handeln könnte, habe, so die zuständige Ermittlerin am Hauptzollamt München, auch die Tatsache erhärtet, dass man an den Geldscheinen Kokainspuren nachweisen konnte. Da die wohl als Kurierin dienende Frau inzwischen wieder in China war, stellte man dort nur eine allgemeine Anfrage, wie viel Geld ins Land eingeführt werden darf: 5000 Dollar oder 10 000 nach Anmeldung. Auf weitere Fragen zur Frau habe man verzichtet, da auf Drogenbesitz oder -handel in China die Todesstrafe stehe. Weitere Anfragen zu den Freunden oder nach "Awei" über Europol brachten auch nichts, weil die 29-Jährige nur von alle Beteiligten den Vornamen kennen wollte.

Da die Ermittlungen den anfänglichen Tatverdacht nicht erhärteten, stellte die Staatsanwaltschaft am 6. Oktober 2020 das Verfahren gegen die Chinesin ein. Drei Wochen zuvor hatte sie aber noch beim Gericht den Antrag gestellt, dass im sogenannten erweiterten selbstständigen Einziehungsverfahren nach Paragraf 76a Absatz 4 Strafgesetzbuch, das Geld - insgesamt 322 585 Euro - beschlagnahmt werden soll. Mit dem neuen Verfahren sollen Gegenstände oder Geld, das durch eine rechtswidrigen Tat erlangt wurde, sichergestellt werden. Auch wenn der von der Sicherstellung Betroffene nicht wegen der Straftat verfolgt oder verurteilt werden kann. Und während sonst der Staat nachweisen muss, dass das Geld aus einer kriminellen Handlung stammt, muss in dem Fall der Betroffene, in dem Fall die Chinesin nachweisen, dass alles seine Ordnung hat.

Dieses Vorgehen fanden die Anwälte "verfassungsrechtlich" bedenklich. Es dürfe ihrer Meinung nach nur mit ernsthaften Ermittlungen, ob der Tatbestand der Geldwäsche vorliege, angewendet werden. Doch diese habe es nicht gegeben. Und der Beschlagnahmebeschluss Monate nach dem Sicherstellung am Flughafen sei deshalb unrechtmäßig und müsse aufgehoben werden.

Das Schöffengericht sah das anders. "Ich sehe beim besten Willen keine weiteren Ermittlungsansätze, als die, die gemacht wurden", sagte Richter Schindler in der Urteilsbegründung. Es sei zudem nicht Aufgabe des Gerichts herauszufinden, auf welcher rechtlichen Basis das Geld bis September sicher gestellt gewesen sei. "Es ist aber lebensfremd davon auszugehen, dass das Geld aus einer legalen Quelle stammt." Der Verdacht liege weiter vor und somit sei die Einziehung rechtens.

© SZ vom 08.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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