Amtsgericht Erding:"Ich habe bei Ihnen kein Vertrauen mehr"

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Angeklagter versagt in der Bewährung und muss wegen diverser Straftaten ins Gefängnis. Richter Schindler sieht kein ernsthaftes Bemühen, von der Drogensucht wegzukommen.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Es war kein einfaches Verfahren, wie alle Beteiligten am Schluss zugaben. Die Staatsanwaltschaft hatte dem 33-jährigen Angeklagten gleich mehrere Delikte aus zwei verschiedenen Fällen vorgeworfen: Diebstahl, Widerstand gegen Vollzugsbeamte und Körperverletzung bei zwei Polizisten sowie der Besitz und der Verkauf von Drogen. Da er unter offener Bewährung stand und in dieser "katastrophal" versagte, wie Amtsrichter Björn Schindler sagte, wurde der 33-Jährige einmal zu neun und einmal zu acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Diesmal ohne Bewährung. "Ich habe bei Ihnen kein Vertrauen mehr", sagte Schindler.

"Sie sind ja nicht unsympathisch, offen auch, aber ...", sagte der Amtsrichter in seiner Urteilsbegründung. "Wenn man sagt, dass Ihr Bewährungsverfahren nicht positiv gelaufen ist, dann ist das nett ausgedrückt." Denn der Angeklagte missachtete eigentlich alles, was ihm das Gericht im Oktober 2021 an Auflagen für die Bewährungsstrafe auf drei Jahre wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln auferlegt hatte.

Seine Bewährungshelferin kennt ihn kaum

Seine Bewährungshelferin konnte nur sagen, dass sie den Angeklagten eigentlich nicht kennt. Elf Termine hätte er seit November bei ihr gehabt. Das erste Gespräch sei telefonisch gewesen, im Mai 2022 sei er einmal persönlich erschienen, bei allen anderen nicht. Und selten entschuldigt. Die drei Drogen-Abstinenz-Termine? Nicht hingegangen. Termin mit der Drogenberatungsstelle Prop ausgemacht? Nein. Die Geldauflage in Raten bezahlt? Nicht eine einzige. Mit dem Angeklagten sei keine Zusammenarbeit möglich gewesen, sagte die Bewährungshelferin.

"Ich weiß, dass ich ein bisserl unzuverlässig bin", entgegnete der 33-Jährige. Er habe in der Zeit seine privaten Schulden bei Freunden und Verwandten zurückbezahlt. Und ein Termin zur Kontrolle, ob er sich aller Drogen enthalte, hätte keinen Sinn gemacht, da er weiter täglich Marihuana konsumiere, aber "in geringen Mengen". Jetzt sei er aber zu einer ambulanten Suchtherapie bereit.

Eine Therapie hat er abgebrochen

Was Amtsrichter Schindler indes bezweifelte. Und auch die Bewährungshelferin sah nur in einer stationären Therapie Sinn. Schon einmal habe eine ambulante Therapie begonnen, als er sein Problem erkannt habe, als seine Freundin ihn verließ, sagte der Angeklagte. Aber er habe schnell abgebrochen. Jedes Mal, wenn er probiert habe aufzuhören, sei er schlecht drauf gewesen und zu nichts zu gebrauchen. Sein Chef bei der neuen Arbeit wisse von seinem Problem, die Drogeneinnahme habe keine negativen Auswirkungen auf seine Arbeit.

Als er zwei Diebstähle in einem Bekleidungshaus beging, ein Sweatshirt für 69,95 und eine Jeans für 119,95 Euro, habe er bestimmt auch Drogen an dem Tag konsumiert, das habe aber keinen Einfluss auf die Taten gehabt. Auch die Polizeibeamten, die ihn beim zweiten Diebstahl am Ausgang stellten, hatten keine Auswirkungen bemerkt. So ganz freiwillig wollte der 33-Jährige aber nicht mitgehen. Bei seinem kurzen Fluchtversuch schlug er wild um sich und verletzte beide Polizisten leicht.

Marihuana-Geruch dringt aus der Wohnung

Beim zweiten Fall waren Drogen direkt im Spiel. Allerdings zunächst nicht bei ihm. Die Polizei durchsuchte auf der gleichen Etage des Hauses in Dorfen die Räume seines Nachbarn, als der Angeklagte gerade dort war. Warum er freiwillig gestand, dass bei ihm im Zimmer seiner WG auch Drogen sind, blieb offen. Auf den Einwand seines Verteidigers, dass es ohne dieses "Geständnis" überhaupt nicht zu einer Anklage wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln gekommen wäre, meinte der Beamte, der vor Ort anwesend war, dass man wegen des Marihuana-Geruchs aus der Wohnung wohl dieses auch so durchsucht hätte.

Welche Rolle dabei eine weitere Person spielte, die zur gleichen Zeit aus der WG mit der Freundin seines Mitbewohners kam, blieb im Unklaren. Auch ob diese Person, die anderweitig wegen Drogenbesitzes angeklagt ist, ihn tatsächlich als Dealer bezichtigt hat. In den Akten war dazu kein schriftlicher Vermerk zu finden. Wohl deshalb, weil es keine offizielle Vernehmung war, wie der Polizist vermutete. Deshalb wurde der Vorwurf des Drogenverkaufs nicht weiter verfolgt. Dies hätte bei allem anderen das "Kraut auch nicht mehr fett" gemacht, wie auch die Staatsanwältin meinte.

Der Anwalt wollte, dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wird

Sein Anwalt versuchte alles, damit auch diesmal wieder die Strafe zur Bewährung ausgesprochen wird. Sein Mandant gehe offen mit seiner Sucht um, suche keine Ausflüchte und habe einen neuen Job, der ihm Spaß mache. Doch es nutzte nichts. Zwar wurde anerkannt, auch von der Staatsanwältin, dass der 33-Jährige geständig ist, den Schaden im Bekleidungshaus inzwischen sogar bezahlte, aber von einer Bewährung versprach sich der Richter nichts.

Der Angeklagte habe den ersten Warnschuss, die offene Bewährung, völlig missachtet und sei sich offenbar gar nicht bewusst, was diese bedeutet. Jedenfalls nicht Schulden bei Freunden zurückzuzahlen, nicht aber gerichtlich angeordnete Raten. "Sie müssen an Ihren Prioritäten arbeiten", sagte Schindler. Eine weitere Bewährung würde nichts ändern, da er nicht den Eindruck habe, dass dadurch alles besser werden wird. Eine Prioritätseinstufung wurde ihm abgenommen: Im Gefängnis muss er ohne Drogen leben lernen. Ausflüchte gibt es dann nicht mehr.

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