Entscheidung des Patentgerichts:Jedermanns Weißwurst

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Die "Münchner Weißwurst" darf überall hergestellt werden. Münchens Metzger hadern schwer mit der Entscheidung des Patentgerichts.

C. Wessel, J. Käppner und O. Fritscher

War es nicht in München geschehen? War es nicht in einer von entschlossenen Trinkern bevölkerten Kaschemme namens "Zum ewigen Licht", wo ein Wirt namens Moser Sepp aus Verzweiflung über eine Lieferung zu weicher Bratwürste diese in Schweinsdärme füllte und erhitzte?

Weißwürste können im Ausland hergestellt und dann bei in München als Münchner Weißwürste verkauft werden. (Foto: Foto: ap)

Die Kunden, keine Menschen der Verfeinerung, seien begeistert gewesen, sagt man; so geschehen zu München, am 22.Februar 1857. Diese Geschichte, so hat der Stadtarchivar Richard Bauer in verdienstvollen Feldforschungen nachgewiesen, ist schön, hat aber einen Nachteil: Sie stammt wahrscheinlich nicht. Wurstvarianten dieser Art soll es nämlich schon im Spätmittelalter gegeben haben, und keineswegs nur in München.

Diese betrüblichen Fakten aus der Vergangenheit machen die Lage der Münchner Metzger in der Gegenwart nicht besser. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit durch alle Instanzen hat das Bundespatentgericht nun entschieden: Die Bezeichnung "Münchner Weißwurst" ist nicht "geographisch geschützt".

Vor Schreck kein Kommentar

Es dürfte den Münchnern auch nicht helfen, dass sie sich in einer "Schutzgemeinschaft" genannten Abwehrfront zusammengeschlossen haben, die nun eilig über mögliche Rechtsmittel berät. Ihr Vorsitzender Markus Brandl, Chef der Großmetzgerei Vinzenz Murr, wollte das Urteil vor Schreck nicht kommentieren.

Es sieht nämlich nicht gut aus für die Beschützer der wahren Wurst. In der am Dienstag veröffentlichten Entscheidung, über welche die SZ berichtete, schreiben die Patentrichter: Für die Frage, ob die Münchner Weißwurst eine geschützte Bezeichnung nach EU-Recht - wie etwa Champagner oder Emmentaler - sei, sind "die tatsächlich feststellbaren Marktverhältnisse" ausschlaggebend. Diese zeigten, dass "Münchner Weißwürste in der vorgeschriebenen lebensmittelrechtlichen Qualität seit Jahrzehnten mengenmäßig weit überwiegend aus anderen Regionen Bayerns und nicht aus München stammen." Deshalb sei die Münchner Weißwurst eine "regionale, hauptsächlich südbayerische, jedoch keine auf den Herstellungsort München beschränkte Spezialität".

Doch, es darf

"Es ist für die Qualität schade", sagt Georg Schlagbauer, Obermeister der Metzger-Innung. "Es wird jetzt leider auch Weißwurst geben, die nur aus Schweinefleisch besteht. Das ist ja eine Preisgeschichte. Die Fleischindustrie spart, indem sie Kalbfleisch durch Schweinefleisch ersetzt." Die Wahl zwischen Schweinefleisch und Kalbfleisch steht dem Hersteller trotz der strengen Münchner "Weißwurst-Leitsätze" nämlich frei. Ob seine Dosen-Weißwurst auch Kalbfleisch enthält oder nicht, ob er sich freut oder nicht - all das will Peter Kraus, Fleischfabrikant im niederbayerischen Neustadt und einer der Kläger gegen ein "Weißwurst-Patent", nicht verraten.

Ludwig Wallner, Inhaber der Gaststätte Großmarkthalle und Produzent mehrfach ausgezeichneter magerer Weißwurst (100 Prozent Kalbfleisch!), ist überrascht. "Ich hätte gedacht, wir haben vielleicht ebensolchen Erfolg wie die Nürnberger mit ihren Rostbratwürsten." Im letzten Dezember hatte Evi Brandl, Senior-Chefin von Vinzenz-Murr, gesagt: "Es darf doch nicht sein, dass Weißwürste in Polen oder Tschechien hergestellt und dann bei uns als Münchner Weißwürste verkauft werden." Doch, urteilten die Patentrichter, es darf.

© SZ vom 18.02.2009/pfau - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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