SZ-Serie: Bühne? Frei!:Wenn die Party vorbei ist

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Der 20-jährige Münchner Ennio Frankl veröffentlicht seit drei Jahren unter dem Namen Emotional Club Musik. (Foto: privat)

Kultur-Lockdown, Tag 41: Der Electornica-Musiker Ennio Frankl freut sich auf den großen Knall nach der Pause

Protokoll von Paul Hordych

Es ist dunkel, es ist laut, und es riecht nach Schweiß. Rechts von mir meine Freunde und links eine fremde Masse, die zum Takt wippt. Der Bass drückt vom Bauch in die Brust, und irgendwo schwappt der Alkohol umher. Alle Blicke zur Bühne gerichtet, und wir singen laut mit, damit man uns im Aftermovie sehen kann. Klassischer Fanboyshit halt.

Ich bin glücklich, blicke in strahlende Gesichter und tue so, als würde ich verstehen, was mir mein Kumpel ins Ohr schreit. Im Endeffekt egal, wir sind uns bestimmt einig: Es ist geil. Die Jungs von Provinz leiten ihren letzten Song für den Abend ein: "Wenn die Party vorbei ist".

Einen Monat später und die Party ist wirklich vorbei.

Ich bin Ennio, ich liebe Partys, so wie wahrscheinlich jeder Zwanzigjährige, und mache seit drei Jahren Musik unter dem Namen Emotional Club. Genau in dem Moment, wo es anfing zu laufen, wurde die Pausentaste gedrückt. Und in der Musik ist eine Pause nur sinnvoll, wenn sie kurz ist und danach ein absolutes Highlight folgt. Für junge Musiker, die sich etablieren wollen, sind Liveauftritte essenziell. Vielleicht sehen ja 700 Menschen deinen Song in deiner Instagramstory, wirklich erinnern werden sich aber nur die 50, die dich vielleicht sogar nur per Zufall auf irgendeiner Bühne haben stehen sehen. Durchs Internet kann man vielleicht seine Reichweite vergrößern, aber Hörer sind nicht automatisch Fans. Man muss einfach einen emotionalen Moment teilen. Ohne Liveauftritte, keine neuen Fans!

Also sperrte ich mich halt in meinem Zimmer ein, schaute Tom-Misch-Videos und schrieb neue Songs. Man will ja auch nicht zu viel rumheulen. Als DIY-Künstler hat man immerhin den Vorteil, beim kreativen Prozess auf niemanden angewiesen zu sein. Und wirklich Angst, was zu verpassen, hatte man auch nicht. So entstand schließlich der Song "Let's go and find a place to dance". Und natürlich hat man bei einem Song, bei dem es ums Tanzen geht, ein noch dringlicheres Bedürfnis ihn live zu performen. Auch um zu sehen wie die Leute (im besten Fall...) TANZEN. Und es war auch noch Sommer. Come on.

Und auf einmal, sieben Monate nachdem wir bei ihnen in der ersten Reihe rumgesprungen sind, wurde ich gefragt, ob ich beim Picknick-Konzert von Provinz die Jungs als Vorband unterstützen möchte.

Ich lehnte dankend ab.

Spaß.

Es war mein bis dato größter Liveauftritt vor 500 Leuten, den ich so schnell nicht vergessen werde, und ich bin immer noch unfassbar dankbar für die Chance, die ich im Sommer bekommen habe. Die Leute durften zwar nur sitzen, aber ich wette, sie hätten getanzt. Behaupte ich jetzt einfach mal.

Ich bin sicher, irgendwann wird wieder alles gut und bis dahin freue ich mich über jeden, der in seinen eigenen vier Wänden zu meiner Musik tanzt.

P.S.: Wir haben es wirklich in den Aftermovie geschafft!

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© SZ vom 12.12.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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