Einsatz für die Wirtschaft:Blick in die Zukunft

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Erst Mittlere Reife, dann Promotion: Manfred Gößl. (Foto: Stephan Rumpf)

Etwa 380 000 Firmen vertritt Manfred Gößl als neuer Chef der IHK München und Oberbayern - zunächst will er sich um die kleinsten Unternehmen kümmern

Von Pia Ratzesberger, München

Er hat früher immer den Bürgermeister bewundert, den ersten Mann in einer Gemeinde. Er schätzte, dass dieser Mann so viele Menschen kannte, dass er Entscheidungen traf, die Einfluss hatten, und dass er ein wenig mitbestimmen konnte, wie sich die Welt um einen herum verändert. Heute ist Manfred Gößl zwar nicht der Bürgermeister von Kösching, von seinem Heimatort nahe Ingolstadt, aber er hat eine ähnliche Rolle inne. Auch er trifft viele Menschen und vor allem viele Entscheidungen, die Einfluss haben. Nicht nur für eine kleine Ortschaft, sondern für eine ganze Stadt und eine ganze Region. Manfred Gößl, 51, ist seit Beginn des Jahres der neue Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern (IHK).

In diesen Wochen verändert sich bei der IHK gerade viel, nach sieben Jahren und einer immer teurer gewordenen Sanierung ziehen die Mitarbeiter aus dem Zwischenquartier in der Balanstraße wieder zurück in ihr altes Stammhaus in der Max-Joseph-Straße - und dort hat nun auch ein neuer Chef sein Büro bezogen. Der Vorgänger Peter Driessen war in den Ruhestand gegangen und Manfred Gößl folgte ihm nach, er kennt das Geschäft. Er war zehn Jahre Stellvertreter von Driessen.

Manfred Gößl wartet im neuen Konferenzraum im neuen Stammhaus - und erzählt dann erst einmal, was so bleiben wird wie bisher. Die IHK hat in den vergangenen Jahren vor allem in der Region ihre Büros ausgebaut, hat neue Stellen in Ingolstadt und Mühldorf geschaffen, in Weilheim und Rosenheim. Die Verbindungen in die kleineren Städte seien ihm nach wie vor wichtig, auch wenn sich München viele der Probleme potenzierten, sagt Gößl.

Er war lange genug bei der IHK, um zu wissen, welche Themen die Unternehmen in der Stadt umtreiben: immer mehr Verkehr, immer höhere Mieten und vor allem immer weniger Fachkräfte - was wiederum mit den Mieten zu tun hat. Nun kann ein Chef der IHK keine Wohnungen bauen und auch keine Straßen, aber er kann zumindest Vorschläge einbringen, wie man die Wirtschaft in der Stadt unterstützen könnte. Zum Beispiel brauche es klarere Regelungen für Werkswohnungen, sagt Gößl, damit Unternehmen ohne große rechtliche Hürden ausschließlich an Mitarbeiter vermieten könnten. Auch müssten die Unternehmen sich noch stärker um die Absolventen bemühen, in die Schulen gehen und um sie werben. "Man muss sich als Firma heute anstrengen. Die Schüler erwarten eine direkte Ansprache." Als Manfred Gößl zur Schule ging, war das noch anders.

Er hat eine Realschule in Ingolstadt besucht, damals gab es viele Absolventen und wenige Ausbildungsplätze. Um einen Platz zu bekommen, habe man sich "schon ordentlich strecken müssen", sagt Gößl. Er wollte damals eigentlich zur Polizei gehen, vielleicht Kommissar werden - wieder ein Beruf mit vielen Menschen, mit vielen Entscheidungen, die Einfluss haben könnten. Doch weil er mit 16 Jahren für eine Ausbildung bei der Polizei noch zu jung war, wechselte Gößl auf die Fachoberschule. Eigentlich wollte er nur das eine Jahr überbrücken, doch dann blieb er, wird später Betriebswirtschaft studieren und auch noch promovieren, in Bremen. Danach wird es ihn bald zurück in den Süden ziehen - wenn man ihn nach den Gründen fragt, entgegnet er nur: "Das ist eine vermessene Frage an einen Oberbayern." Die Frage sei doch viel mehr, wie er es so weit weg von der Heimat so lange habe aushalten können. Heimat, das sei doch etwas Schönes.

In seiner IHK sind etwa 380 000 Firmen vertreten, so viele wie in keinem anderen Verband der IHK in Deutschland. Das hat auch damit zu tun, dass in München und Oberbayern besonders viele Firmen ihren Sitz haben und die Unternehmen nicht selbst entscheiden können, ob sie bei der IHK Mitglied sein wollen, sondern sie Mitglied sein müssen.

In München und dem Umland haben so viele Dax-Konzerne ihre Zentrale wie in keiner anderen Region im Land, aber Manfred Gößl will sich in den kommenden Monaten vor allem auch den kleinsten Unternehmen annehmen, die neben BMW oder der Allianz oftmals untergehen. In vielen dieser Unternehmen arbeitet nur eine Person, doch sie machen den Großteil der Mitglieder der IHK aus - und diese Betriebe brauchen den Verband besonders. Sie sind auf Beratung angewiesen, weil sie im Gegensatz zu anderen Firmen keine Rechtsabteilung haben oder keine Personalabteilung. Manfred Gößl will die Lücke füllen, will mehr Workshops für kleine Unternehmen anbieten und mehr Beratung, auch im Internet.

Die IHK wolle neue Technologien in Zukunft zudem noch schneller selbst nutzen, um den Unternehmern vorzumachen, was möglich wäre. Schon heute könne man viele Anträge bei der IHK online erledigen und am liebsten würde Gößl irgendwann einmal mit Hilfe einer Blockchain Zeugnisse der IHK überprüfen lassen. Bisher sei das noch nicht möglich. Die Gefahr, dass die Unternehmen in München zu wenig innovativ seien, sieht Manfred Gößl nicht. Er sagt: Wenn München es nicht schaffe, im Wettbewerb zu bestehen - dann schaffe es keine andere Stadt in Deutschland.

© SZ vom 11.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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