Einer der ersten Pizzabäcker:Ein Abschied nach Jahrzehnten

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Raffaele Gargiulo war einer der ersten Pizzabäcker in München, nun wird er sich zur Ruhe setzen. (Foto: Stephan Rumpf)

Die traditionsreiche Pizzeria Bei Raffaele schließt - die Luisenstraße verliert damit eine lokale Größe

Von Andreas Schubert

Raffaele Gargiulo klopft sich mit der Faust an sein Herz und schaut, als wären ihm gerade fünf Pizzen gleichzeitig verbrannt. "Ich bin sehr sehr traurig", sagt der 68-Jährige. Gargiulo ist Wirt der Pizzeria Bei Raffaele an der Luisenstraße und steht dort seit deren Eröffnung 1971 am Ofen. Die Pizzeria war eine der ersten der Stadt. Ende April dieses Jahres schließt sie.

Das Restaurant ist eine lokale Größe, die von ihren Stammgästen vermisst werden wird. 25 Jahre lang hieß es "Bei Mario" und war eines von drei Lokalen, das Raffaeles Bruder Mario Gargiulo betrieben hat. Und der gilt als derjenige, der die Pizza nach München gebracht hat und an der Hiltenspergerstraße 1966 die erste Pizzeria der Stadt aufgemacht hat, zwei Jahre später kam auch der jüngere Bruder Raffaele als Koch nach München. Und auch wenn man sich das in dieser Stadt, in der Pizzerien in zentraler Lage gerade nur einen Steinwurf auseinanderliegen, heutzutage kaum vorstellen kann: Damals war der belegte Teigfladen hauptsächlich Leuten bekannt, die nach Süditalien gereist sind. Selbst in Norditalien hatte sich zu dieser Zeit die Pizza als Nationalgericht noch nicht durchgesetzt. Die Gargiulos brachten das Rezept aus ihrer Heimat Sorrent am Golf von Neapel mit.

Das Ristorante Bei Mario gibt es noch immer. Es ist 1974 in die Adalbertstraße 15 umgezogen und wird heute landläufig als die älteste Pizzeria der Stadt bezeichnet, geführt wird sie schon lange von Marios Tochter Marie-Lisa.

Das andere Bei Mario, also das Lokal in der Luisenstraße 47, hat Raffaele seinem älteren Bruder 1996 abgekauft und nach sich selbst benannt. Geändert hat sich damals nur der Name. Und nach wie vor bäckt Raffaele wagenradgroße Pizzen, die seit mehr als vier Jahrzehnten Stammpublikum anziehen - darunter viel Personal und Studenten der TU und Nachbarn. "Die Leute haben früher ihre Kinder mitgebracht; diese Kinder kommen inzwischen selbst mit ihren Kindern", sagt Raffaele Gargiulo. Dann verlässt er kurz seinen Posten am Ofen und führt den Besucher zur Eingangstür, wo ein Foto hängt, das ihn als jungen Pizzabäcker vor 45 Jahren zeigt. Nur Raffaele hat sich ein bisschen verändert. Das Lokal sieht immer noch aus wie damals. Noch heute ist es funktionell im Stil der frühen Siebzigerjahre eingerichtet. Die Tische stehen relativ eng, gleich am Eingang wartet eine Glasvitrine mit Antipasti auf, zentraler Blickfang ist der Steinofen für die Pizzen. Hier gibt es kein Chichi, keine affektierten Kellner - und auf der Speisekarte stehen lauter Klassiker. Hippe Pizza-Kreationen finden sich nicht, die exotischste ist noch die altbekannte Pizza Hawaii mit Ananas und Schinken.

Es ist das einfache und familiäre Konzept, das die Gäste so schätzen. Es ist Dienstagmittag, gerade geht es im Lokal ein bisschen hektisch zu, fast alle Tische sind besetzt. Entsprechend gut zu tun haben Raffaele Gargiulo und sein Kollege am Pizzaofen. Die Kellner sind ständig in Bewegung. Und um das Telefon, das auch ständig klingelt, kümmert sich Rafaeles Frau Sonja. Sie geht mit der bevorstehenden Schließung eher gelassen um und betont ausdrücklich, dass man das Mietverhältnis nicht im Streit auflöse. Bis 2020 wäre der Mietvertrag noch gelaufen, erzählt sie. Da das Haus aber 2018 saniert werden soll, habe man sich dazu entschlossen, schon vorher dicht zu machen und sich zur Ruhe zu setzen.

Was die Gargiulos ersetzen wird, ist offen. Der Eigentümer des Hauses, Michael Sagstetter, erklärt, das Ende des Bei Raffaele sei sehr bedauerlich und komme relativ überraschend. Bis zur grundlegenden Sanierung will er vorübergehend wieder ein Lokal ansiedeln- welches, ist derzeit noch offen.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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