Ehrung:"Helfen ist etwas Wunderschönes"

Lesezeit: 2 min

Aktiv: Axel Schweiger bei der Lebensmittelausgabe der Münchner Tafel. (Foto: Florian Peljak)

Axel Schweiger wird für die Gründung der Initiative "München integriert" und wegen seines umfassenden sozialen Engagements mit dem Bürgerpreis der Sendlinger SPD ausgezeichnet

Von Birgit Lotze

Sendling - Abertausende Flüchtlinge erreichen München, stranden am Hauptbahnhof - und eine Stadt breitet die Arme aus. Sommer 2015: Es war die Hochzeit der vielzitierten Willkommenskultur, als Axel Schweiger per Facebook seine Idee unters Volk brachte: "Wer will sich in einer Gruppe "München integriert" engagieren?", fragte er damals. Er suchte auf diesem Wege Menschen, die Flüchtlinge in der deutschen Sprache unterrichten wollen, aufs Studium vorbereiten, und wenn nötig Behördengänge übernehmen. Binnen weniger Tage meldeten sich viele Freiwillige, darunter 30 Lehrer. Seitdem fördern, betreuen und unterstützen Helfer aus Sendling und anderen Stadtteilen eine Gruppe von Flüchtlingen.

Da ist "nichts Besonderes dran", findet Axel Schweiger, der nun wegen seiner Initiative und seines Engagements für "München integriert" mit dem Bürgerpreis der Sendlinger SPD ausgezeichnet wurde. Es gebe noch viele andere Flüchtlingsunterstützer in München, seine Initiative sieht er pragmatisch: "Der Gesellschaft hilft es." Und: Seine Generation - Schweiger ist 59 Jahre alt - übergibt in seinen Augen ihren Kindern eine ziemlich zerstörte Welt, hat über die Verhältnisse gelebt, vererbt eine kranke Umwelt und lässt zu, dass bald wenige junge Menschen viele alte Menschen versorgen müssen. Deshalb ist für ihn die Unterstützung von Flüchtlingen, die sich dann gut integrieren können, zumindest eine Chance, die Alterspyramide wieder "geradezubiegen".

Unterrichtet wird in Räumen, die der Gruppe zur Verfügung gestellt werden. Die Sendlinger SPD hat ihr Büro geöffnet, die Großmarkthallen sind dabei, ebenso mehrere Kirchen. Menschen zu helfen, eine neue Existenz zu finden, sei sehr erfüllend, findet Schweiger. Und er empfiehlt "all diesen besorgten Bürgern", die gegen Ausländer mobil machen, sich mit Flüchtlingen zu treffen und ihre Geschichte anzuhören: "Danach sollten sie sich überlegen, ob sie sich so peinlich aufführen wollen."

Schweiger ist Pragmatiker, kommt ursprünglich aus keinem sozialen Beruf. Aufgewachsen in München und im Chiemgau, studierte er Betriebswissenschaft, war Leiter des Rechnungswesens bei einer Versicherung, kaufmännischer Leiter einer Leasinggesellschaft - sehr jung sehr erfolgreich. Danach gründete er eine Immobilienfirma, ging als Makler in den Konkurs, wurde in einflussreicher Position wieder zum Angestellten als Geschäftsbereichsleiter für Osteuropa einer US-Firma. Irgendwann waren die Büros im Osten aufgebaut, sämtliche Strukturen geschaffen - Axel Schweiger war damals Anfang 50 und arbeitslos.

Er sei kein Heiliger, sagt er, sei "dem schnöden Mammon hinterher gelaufen", habe das schöne Leben geliebt und teure Autos für ebenso wichtig gehalten wie teure Restaurants, Flüge in den Urlaub. Nach dem Fall kam der Ruck und mit ihm viele Fragen: Wofür mache ich das, wofür will ich stehen? Ihm wurde klar , dass er anderen helfen wolle, beteuert Schweiger. Er fragte bei der Tafel und sah dort, dass man mit wenig Geld viel bewegen kann.

Schweiger begann in der Verwaltung, in der die Sekretärin ausgefallen war, dann wurde ihm eine Ausgabestelle übertragen, an der er erstmals in direkten Kontakt mit Menschen in Not kam - alte Menschen, Langzeitarbeitslose, alleinerziehende Mütter und ihre Kinder. Dort habe ihn der Tafelvirus gepackt, erzählt er. Jetzt hat er eine Sechs-Tage-Woche, betreut zwei Ausgaben und ist als ehrenamtlicher Personalleiter für alle zuständig, die mit der Münchner Tafel verbunden sind: zehn Festangestellte, 200 Schüler und studentische Praktikanten, 30 Mitstreiter des Bundesfreiwilligendienstes. In jeder Woche verköstigt die Münchner Tafel 20 000 Menschen, sechs Millionen Kilogramm Lebensmittel werden jährlich von 650 ehrenamtlichen Mitarbeitern abgeholt, sortiert, verteilt: "Im Prinzip versorgen wir eine Kleinstadt."

Heute, auch in Folge des Konkurses, lebt Axel Schweiger von Sozialhilfe. Er sei bescheidener geworden, dankbarer: "Helfen ist etwas Wunderschönes." Er fühlt sich reich belohnt und habe die Möglichkeit, der Gesellschaft zurückzugeben, was ihm möglich ist. Auf das meiste, was früher wichtig war, kann er verzichten. Auch mit der U-Bahn komme man gut zurecht: "So ein großes Fahrzeug hatte ich nie."

© SZ vom 08.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: