Zorneding:Wo die bairische Seele Atem schöpft

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Passend zum Vortrag gibt es bairische Musik (v. li. n. re.): Kreisheimatpfleger Markus Krammer, Seminarrektor Jörg Meier und Referent Helmut Wittmann. (Foto: Christian Endt)

Helmut Wittmann, ehemaliger Mitarbeiter des Kultusministeriums, erklärt in Zorneding, wie Schulen dem Niedergang des Dialekts entgegenwirken sollten

Von Sandra Langmann, Zorneding

"A boarischer Bua buddelt net, der grabt!" So und nicht anders heiße es in bairischer Mundart, erklärt Helmut Wittmann, ehemaliger Mitarbeiter des Kultusministeriums. Zu Unrecht komme dem Dialekt eine abwertende Bedeutung zu. Anhand vieler Beispiele aus tausend Jahren bairischer Literatur zeigt er die Schönheit der Mundart auf und zitiert sogar Goethe. Schon dieser habe gesagt, dass die "bairische Seele in der heimatlichen Mundart Atem schöpfen" könne, so Wittmann. Und das Gleiche gelte selbstredend für die fränkische uns schwäbische Seele.

Die Katholische Erziehergemeinschaft (KEG) hat Wittmann am Buß- und Bettag in den Zornedinger Neuwirt eingeladen, um über den Umgang mit dem Dialekt an Schulen und im Alltag zu referieren. Anhand eines Mundartprojekts des Bayernbundes zeigt er auf, was Schulen leisten sollten und könnten, um den Schülern Freude an der bairischen Sprache zu vermitteln. Denn es gelte, ihrem Niedergang entgegenzuwirken. Das Publikum an diesem Vormittag: ein gutes Dutzend ehemalige Lehrer, die dem Vortrag so interessiert wie widerspruchslos folgen.

Die Vermittlung von Mundart solle im Kindergarten beginnen und bis ins Gymnasium im Lehrplan integriert sein, sagt Wittmann. Bereits an den Grundschulen müsse auch die Mundart eine "angemessene unterrichtliche Berücksichtigung in allen Fächern" erfahren. Spielerisch könne man die Kinder durch Erzählungen und Lieder ans Baierische heranführen, denn gerade im Mündlichen komme der persönlichen Sprachvarietät eine hohe Bedeutung zu. An den Haupt- und Mittelschulen sei es ein wichtiges Ziel, dass sich die Schüler in der Standardsprache verständigen könnten. Trotzdem, so Wittmann, gewähre der Lehrplan der Mundart einen angemessenen Raum: Zum Beispiel solle verdeutlicht werden, welche Varietät für die jeweilige Identität besonderen Wert habe. Ein weiterer Teil sei die Untersuchung der verschiedenen Sprachebenen, wodurch der Dialekt zum Gegenstand der Sprachbetrachtung werde. In der Realschule behandle man den Eigenwert der Mundart und die Möglichkeiten ihrer situationsgemäßen Verwendung im Unterricht und im Schulleben. Die Lehrpläne für Gymnasien enthielten Hinweise zum pädagogischen Umgang mit Dialekten.

Mit einem Lesebuch von Wittmann namens "Freude an der Mundart" fand das Projekt, das von 2010 bis 2014 in etwa 20 Kindergärten und Schulen umgesetzt wurde, seinen Abschluss. 7000 Exemplare wurden kostenlos an Kindergärten, Schulen sowie einschlägige Institutionen und Verbände verteilt. Die Auswertung des Projekts sei noch nicht abgeschlossen, sagt Wittmann, doch die Evaluierungen zeigten, dass es gut angekommen sei und sich alle beteiligten Schulen sehr bemühten. Zudem habe man mehrfach überregionale fachliche Würdigung erhalten, so der Projektleiter.

Bairisch gehört zur indogermanischen Sprachfamilie und ist mit elf Millionen Menschen der größte Dialektverband im Südosten des deutschen Sprachgebietes. Der bairische Sprachraum wird in Süd-, Nord- und Mittelbairisch eingeteilt und umfasst neben dem Freistaat Bayern auch Teile Österreichs und Südtirol.

Der bairische Dialekt ist also weit verbreitet - dennoch gelte er häufig als verpönt und werde als minderwertig angesehen, so Wittmann. In den Schulen werde er kaum mehr gesprochen. Die Dialekte seien langsam auf dem Rückzug und passten sich den schriftnäheren Sprachformen an. Laut Wittmann schafft die Mundart jedoch kulturelle Identität: Sie sei ein Stück Heimat. So sind im Lesebuch Zitate von Schülern zu finden, die erklären, warum sie gerne Dialekt sprechen: "I red gern boarisch, weil olle dahoam boarisch redn." Oder: "I mog' vo Haus aus gern boarisch red'n, weil ma der Dialekt so guat g'foit". Jörg Meier, Seminarrektor des KEG Ebersberg für die Ausbildung von Mittelschullehrern, lobt die Schule in Glonn: Dort sei das Bairische noch richtig schön zu hören.

Laut Wittmann kann jeder etwas zum Erhalt der Mundart beitragen. Vor allem aber seien Eltern gefragt: Sie sollten sich gegenüber Mundart sprechendem Nachwuchs wertschätzend zeigen. "Vier Jahre Projektarbeit haben deutlich gemacht, dass Kinder Freude an der Mundart haben und motiviert sind, Dialekt zu sprechen", so Wittmann.

© SZ vom 18.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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