Zorneding:Verrat durch Gottes Boten

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Peter Wurm verteidigt den historischen Judas Ischarioth

Von Max Nahrhaft, Zorneding

Die Szene aus dem Evangelium nach Matthäus ist jedem bekannt, der sich über die Hintergründe zum christlichen Osterfest informiert hat. Judas, einer der Jünger Jesu, hat im Garten Getsemani Jesus an die römischen Soldaten verraten. Dort betete der Sohn Gottes nach dem letzten Abendmahl, bevor er am nächsten Tag gekreuzigt wurde. Seither gilt Judas als der Verräter unter den zwölf Aposteln, der Jesus für den Spottpreis von 30 Silberlingen an die Römer verkaufte.

Mehr als 2 000 Jahre später, am Palmsonntag, liest Peter Wurm aus dem Buch "Ich, ein Jud - Verteidigungsrede des Judas Ischarioth", das von Walter Jens verfasst wurde. Über 30 Senioren lauschten gebannt der Lesung in der Zornedinger Christophoruskirche. In diesem Plädoyer gegen das "Urteil der Jahrtausende" fordert Peter Wurm mehr Anerkennung der Taten des vermeintlichen Heilandsmörders. Dies mag zwar zunächst geschichtsverdrehend wirken, doch Peter Wurm weiß sich zu erklären. Denn, so seine These, Judas war kein Verräter, sondern Gottes Bote. Ohne Judas wäre Jesus nicht am Kreuz gestorben, er wäre nicht zum Übermittler der christlichen Botschaft geworden. "Ohne Judas wäre Gottes Heilsplan ein Nichts", rezitiert Wurm in seiner Lesung. Er lässt Judas als einen Menschen zu Wort kommen, der von der Sendung Jesu zutiefst überzeugt war.

Wurm versetzt sich in die Ich-Perspektive des Judas, der seine Taten historisch zu rechtfertigen versucht. Vorgetragen mit klangvoller Stimme, gut gewählten Pausen und einer grimmigen Miene, die die Lesung weitaus lebendiger als die durchschnittliche Kirchenpredigt machte, gibt Peter Wurm verstaubten Bibelversen einen frischen Anstrich und zieht die anwesenden Gäste in seinen Bann.

Wurm kam auch dem Vorwurf entgegen, dass Judas den Verrat aus reiner Geldgier begangen habe. Er habe zwar die Silberlinge angenommen, den "Schandlohn aber sofort im Tempel geopfert", so Wurm. Außerdem: Warum hätte Jesus gerade Judas zu seinem persönlichen Kassenwart machen und ihn in Versuchung führen sollen, wenn er dessen Gier kannte?

Anstatt eines geldgierigen Schufts sei Judas einer der engsten Vertrauten Jesu gewesen - bis zur letzten Stunde. Wurm sagte: "Judas war so fromm, dass er bereit war, zum Mordgehilfen zu werden." Er sollte selbstlos beweisen, wozu Menschen fähig sein können. Verrat oder gehorsamer Verdienst am aufkommenden Christum? Diese Frage wollte Wurm mit letzterem beantworten. Wäre Jesus nicht gekreuzigt worden, wäre er als alter Zimmermann gestorben, nicht als Erlöser der Menschen mit Gottes Auftrag.

Doch warum hat Judas kurz nach Jesu Tod Selbstmord begangen? Jesus brauchte Beistand beim Sterben, erklärt Wurm. "Ich ging voraus", sagte er aus der Perspektive des Judas, "zwei Männer hingen nun am Balken, nicht mehr nur einer."

Judas Ischarioth, respektive Peter Wurm, verlangte einfache Dinge von den heutigen Christen: zweifeln, fragen und nachdenken. Denn das Urteil als Sündenbock habe er nicht verdient. Sowohl Judas als auch Jesus waren damals Juden. "Jesus befahl mir, nicht länger zu zaudern. Ich sollte zeigen, wozu der Satan bereit ist, indem ich mich selbst zum Stellvertreter des Teufels mache", sagte Judas. Dafür fordert er Respekt. Ein Verräter wäre er nur dann gewesen, wenn er die Forderungen Jesu abgelehnt hätte.

© SZ vom 11.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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