Zornedinger CSU:Unverhofft an die Spitze

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Jutta Sirotek übernimmt den zerrissenen Zornedinger CSU-Ortsverband. Ihr Plan: Viel reden

Von Carolin Fries, Zorneding

Viel reden müsse man jetzt, sagt Jutta Sirotek, die neue Vorsitzende der Zornedinger CSU. "Damit sich was löst." Denn momentan ist gar nichts locker an der Spitze des Ortsverbands, der 18 Jahre lang von Sylvia Boher geführt wurde. Die Unternehmensberaterin ist nach ihren fremdenfeindlichen Äußerungen im "Zorneding-Report" am Montag von ihrem Posten zurückgetreten und hat eine doch recht zerrissene Mannschaft zurückgelassen. Da gibt es jene, die bis zuletzt an ihr festgehalten haben und Bohers Hetze als freie Meinungsäußerung unterstützt haben. Und solche, die es für falsch hielten, dass sie in Zusammenhang mit den Flüchtlingen von einer "Invasion" schrieb und die Solidarität der Flüchtlingshelfer in Frage stellte. Jutta Sirotek, 61, gehörte zu letzteren. "Wortwahl und Beispiele sind aus meiner Sicht nicht tragbar für eine christlich-soziale Partei", sagte sie.

Sirotek steht für eine liberale CSU, und dass der Kreisvorsitzende Thomas Huber auf sie setzt, ist in der Affäre um Sylvia Boher ein gutes Zeichen. Sirotek wird von den Fraktionen der SPD, Grünen, FDP und Freien Wählern geschätzt, was dem politischen Klima im Ort nicht schaden kann. Dass sie sich hinter Bohers halbherzige Pressemitteilung stellte, scheint verziehen.

In der CSU hat man sie stets geschätzt, wenn auch nicht gefördert. Vielleicht, weil man die Grenzen ihrer Offenheit nicht abschätzen konnte. Sirotek wünscht sich eine sachorientierte Zusammenarbeit, fraktionsübergreifend, wie sie betont. Das mag in den Ohren so mancher Parteisoldaten schon gefährlich genug klingen.

Als die Realschullehrerin 1987 mit ihrer Familie an den Daxenberg zog, engagierte sie sich schnell in der Pfarrgemeinde. Der Kirche fühlte sie sich immer schon verbunden, mit 16 Jahren war sie die erste Ministrantin in Erlangen. In Zorneding engagierte sie sich in der Erwachsenenbildung, wurde zur Bildungsbeauftragten der Pfarrei und 2010 Vorsitzende des Katholischen Kreisbildungswerks. "Die Verankerung im Glauben gibt mir Kraft", sagt sie. Politisch wurde sie erst 2007 aktiv, als sie Piet Mayr im Wahlkampf erlebte. Während Freunde sich bei der SPD oder den Grünen engagierten, spürte sie eine Nähe zur CSU. Sie trat in die Partei ein und kandidierte 2008 auf Platz 16 für den Gemeinderat. Auch im Vorstand war sie von Anfang an dabei, zunächst als Schriftführerin. "Ich forciere das nicht", sagt Sirotek. Es ergebe sich vielmehr.

2013 wird Sirotek eine von drei Stellvertretern im Ortsvorstand, auf der Liste für den Gemeinderat kandidiert sie auf Platz sieben - und schafft es nicht, weil unter anderem Johann Haindl, der nach seinem "Neger"-Zitat nun ebenfalls zurückgetreten ist, von einem hinteren Platz nach vorne gewählt wird. Bis zum Frühjahr wird Sirotek, die in zweiter Ehe verheiratet ist, den Ortsverband nun kommissarisch leiten. Wenn einer das Zeug dazu hat, den Ortsverein mit seinen 85 Mitgliedern wieder zu einen, dann sie: Vor knapp zehn Jahren hat sie eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht, Konfliktmanagement ist ihr täglich Brot. Zunächst einmal also reden, um klarer zu sehen - und dann wieder zur Ruhe kommen.

Über Sylvia Boher will Sirotek nicht sprechen. Nur soviel: Man habe immer gut miteinander gearbeitet, "die CSU hat trotz ihrer momentanen Situation eine gute Arbeit geleistet", sagt sie. Anstatt zurück blickt sie nach vorne. Nun gelte es im Vorstand und der Fraktion zu die Frage zu klären, wo man sich wiederfindet. "Wir dürfen nicht ewig geblockt sein." Es würde Zeit, dass wieder Politik gemacht wird.

© SZ vom 07.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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