Zorneding:Umstrittener Neuanfang

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Sylvia Boher tritt als CSU-Ortsvorsitzende und FU-Ortsvorsitzende zurück, will aber Gemeinderätin bleiben. SPD, Grüne, Freie Wähler und FDP fordern einen kompletten Rückzug

Von Carolin Fries, Zorneding

Vor Jutta Sirotek liegen anstrengende Wochen. Die 61-Jährige wird nach dem Rücktritt der Ortsvorsitzenden Sylvia Boher kommissarisch den Ortsvorsitz übernehmen. Bislang war sie in dem Gremium eine von drei Stellvertretern. In Konfliktmanagement ist die Mediatorin zwar geübt, doch die Risse durch den Ortsvorstand sind tief. Und nicht nur intern gilt es, die Wogen zu glätten. Die Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und FW fordern, Boher solle auch ihr Gemeinderatsmandat abgeben und wie Bohers Stellvertreter Johann Haindl die "vollen Konsequenzen ziehen", wie der FDP-Ortsvorsitzende Peter Pernsteiner sagt.

In der Nacht auf Dienstag ist Sylvia Boher nach ihren rechtspopulistischen Äußerungen im CSU-Magazin Zorneding Report nach 18 Jahren als CSU-Ortsvorsitzende zurückgetreten. Auch ihren Posten als Ortsvorsitzende der Frauen-Union hat sie zur Verfügung gestellt. Anders als Haindl aber, der in einem Interview Zornedings aus dem Kongo stammenden Pfarrer einen "Neger" genannt hat, will Boher Gemeinderätin bleiben. Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU) sagt: "Ich muss das akzeptieren." Der Wähler habe Boher einen politischen Auftrag gegeben. Bei den Kommunalwahlen 2014 entfielen 1504 Stimmen auf die damals 48 Jahre alte Unternehmensberaterin, die auf Platz sechs antrat und ankündigte, sich "für die "Bewahrung eines lebens- und liebenswerten Ortes" einsetzen zu wollen. Als siebte von acht CSU-Gemeinderäten zog sie schließlich ins Gremium ein. Boher ist zudem Mitglied des Kreisvorstands und des Bezirksvorstands der CSU.

Der CSU-Kreisvorsitzende Thomas Huber hat noch in der Nacht eine Pressemitteilung des Ortsverbands herausgegeben, in der er die Personalien bekannt gibt und Boher und Haindl für ihr langjähriges politisches Engagement dankt. Die personellen Konsequenzen nennt er "unausweichlich". "Die Zornedinger CSU muss sich neu aufstellen, weil in den letzen Wochen zu viele Tischtücher zerschnitten worden sind." Sylvia Boher selbst wird mit den Worten zitiert, sie wolle "weiteren Schaden für die CSU, der durch die dauerhafte Presseberichterstattung der letzen beiden Wochen entstanden ist", abwenden. Sie mache den Weg frei für einen Neuanfang.

Bei SPD, Grünen, Freien Wählern und FDP indes fragt man sich, wie dieser Neuanfang aussehen soll, wenn lediglich parteiintern die Posten neu besetzt werden. "Für uns und unsere Arbeit im Gemeinderat ändert sich gar nichts", sagt FW-Fraktionssprecher Wilhelm Ficker. Grünen-Fraktionssprecher Helmut Obermaier spricht von einem "halben Rücktritt", und die Zweite Bürgermeisterin Bianka Poschenrieder (SPD) fordert einen "klaren Schnitt", vor allem, um dem Ort in der Öffentlichkeit wieder gerecht zu werden. "Ich habe mich schon genug geschämt."

Thomas Huber sagt: "Das Gemeinderatsmandat steht auf einem anderen Blatt." Er erkenne den Rücktritt an, beide - Boher und Haindl - hätten Verantwortung übernommen und ihre Führungspositionen niedergelegt. Johann Haindl habe sich schriftlich beim erzbischöflichen Ordinariat für seine rassistische Beleidigung von Pfarrer Olivier Njimbi-Tshiende - "Der muss aufpassen, dass ihm der Brem ( Zornedings Altpfarrer, Anm. d. Red.) nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt, unserem Neger" - entschuldigt. Es werde alles Mögliche getan, um das, was hier passiert sei, wieder gut zu machen, sagt Huber. Anders als Boher sieht er nicht die Presse als den Verursacher des Schadens.

Die SPD-Landtagsabgeordnete Doris Rauscher und der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer begrüßen die Rücktritte im Zornedinger CSU-Vorstand. Doch hätte die CSU von Beginn an deutlich zum Ausdruck bringen müssen, dass Fremdenfeindlichkeit im Landkreis keinen Platz habe. "Das Krisenmanagement des CSU-Kreisverbandes empfinden wir beide dabei nicht nur als unglücklich, sondern bemerkenswert zaghaft und im Verlauf der Debatte (...) als inkonsequent", heißt es in einer Presseerklärung.

Am kommenden Samstag, 7. November, geht der Gemeinderat in Klausur. Auf der Tagesordnung stehe eigentlich die Wohnungsbaupolitik. "Ich weiß nicht, wie eine Zusammenarbeit im Gemeinderat klappen soll, wenn Frau Boher bleibt", sagt Bianka Poschenrieder. Nur zu gerne würde sie ihr Hauptaugenmerk wieder auf die kommunalpolitischen Herausforderungen richten. Helmut Obermaier sieht jetzt die CSU-Fraktion gefragt. Solange diese an Boher festhalte, sei eine gute Zusammenarbeit wohl kaum möglich. Einzig Johannes Schott habe von den sechs CSU-Vertretern im Gemeinderat neben Boher und Haindl bislang klar Stellung bezogen. Er hatte in der jüngsten Gemeinderatssitzung öffentlich den Rücktritt Bohers gefordert. Er bleibt Stellvertreter, im Frühjahr 2016 sollen Neuwahlen stattfinden.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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