Zorneding:Tiefe der Seele, Höhe des Gebets

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Schmuckstücke aus dem Schatzkästlein der verborgenen Meisterwerke bringen der Kammerchor a cappella! und Fagottist Markus Fromm zur Aufführung. (Foto: Hinz-Rosin)

Der "Kammerchor a capella" interpretiert mit Fagottist Markus Fromm das "Agnus Dei" von Egil Hovland in berührender Weise

Von Ulrich Pfaffenberger, Zorneding

Keine schlechte Idee, drei Wochen nach Ostern noch einmal den Kern dieses christlichen Hochfestes in einem Konzert in Erinnerung zu rufen: "Agnus Dei", das Lamm Gottes. Seit jeher eine Herausforderung für Komponisten von Messen, dieses Thema zwischen Leiden und Hoffnung, liturgisch angesiedelt in einer besinnlichen Phase nach den Jubelmotiven von "Hosanna" und "Benedictus", erwies es sich für das Programm am Samstagabend in der Christophoruskirche von Zorneding als Glücksfall. Denn so konnte der Kammerchor a c apella unter der Leitung von Eckhard Meißner einmal mehr sein außergewöhnliches interpretatorisches Können beweisen.

Am spektakulärsten gelang dies zweifelsohne im Mittel- und Glanzpunkt des Abends, der auch den Namen gab: das "Agnus Dei" des Norwegers Egil Hovland, ein viersätziges Konzert für Fagott und Kammerchor. Wenn schon die Besetzung aus dem Rahmen fällt, um wie viel mehr darf das dann die Musik? Eigentlich um unendlich mehr, doch braucht man diese Klangwelt-Arithmetik gar nicht zu bemühen. Ausgehend von den vier Botschaften "Agnus Dei", "Qui tollis peccata mundi", "Miserere nobis" und "Dona nobis pacem" hat der Komponist eine derart fesselnde Dramaturgie geschaffen, dass man diesem Werk bedenkenlos attestieren darf, einen eigenen Rahmen zu schaffen. Darin die von Respekt getragenen und von der inneren Kraft des Stücks beseelten Choristinnen und Choristen starken Gefühlen Ausdruck gaben. Die atmende Seele zunächst, hinübergleitend dann in erfüllte Dankbarkeit, gefolgt von den schier endlosen Varianten eines weltumspannenden Hilfeschreis, mündend in die prägnante Bitte.

Dass diese Botschaften so eindeutig und nachhallend bemerkbar werden, dafür gebührt indes alles Lob und größtmögliche Anerkennung dem Solisten Markus Fromm. Selbst erfahrene Konzertbesucher müssen lange in der Erinnerung kramen, um einen vergleichbar kunstvollen Auftritt aufzurufen. Ohne sich lange mit der meisterlichen Beherrschung des Instruments durch den Solisten aufzuhalten: So, wie er das Fagott spielte und seinen Part interpretierte, schuf er erst die Verbindung zwischen der Tiefe der Seele und der Höhe des Gebets, die das "Agnus Dei" aus der Liturgie hervorhebt. Gleichzeitig brachte sein pointierter Vortrag genau jene kompositorischen Elemente zum klingenden Vorschein, mit denen der Stilist Hovland die Zeitalter überbrückende Gültigkeit seines Opus markiert hatte, indem er Barock genauso zitierte wie Jazz, am Ende gar eine Anmutung von Ballettmusik zu den flehenden Gesten der Betenden. So herausragend dieser Teil des Programms auch dasteht, ein Solitär war er an diesem Abend in der gut zur Hälfte gefüllten Kirche nicht. Sowohl bei Johann Kuhnaus "Tristis est anima mea" als auch bei Johann Hermann Scheins "Da Jakob vollendet hatte" waren Eckhard Meißner zwei Schmuckstücke aus dem Schatzkästlein der verborgenen Meisterwerke begegnet, die er aufs Feinste mit der Leidenschaft seines Chores fürs Melodiöse und "Cantabile" zu verbinden verstand.

Man sah und hörte es dem Ensemble an, wie es sich von beiden Stücken berühren ließ. Wobei auch die Motetten von Ferrario, Brahms und Rachmaninow sowie das außergewöhnlich introvertierte, im calvinistischen Ethos verankerte "Alleluia" von Randall Thompsom mit seinen technischen Herausforderungen bei diesem Chor vortrefflich aufgehoben waren. Ebenso wie drei Motetten von Knut Nystedt, ein Aufgreifen des Leitmotivs zum Ende des Konzerts, als Triptychon gestaltet, englisch gesungen im klassischen Choire-Style, ein himmlischer Genuss, in Fragilität und Innigkeit nur noch übertroffen vom Abschiedsgruß aus der Feder Albert Beckers: "Bleibe, Abend will es werden."

© SZ vom 18.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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