Zorneding:Tarzan an der Tankstelle

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Der Moosacher Kabarettist Markus Langer spielt in Pöring sein neues, treffsicheres Kammerspiel

Von Peter Kees, Zorneding

"Jetzt juckt es mich wieder," sagt Markus Langer nach mehrjähriger Pause als Kabarettist, und schon steht er wieder auf der Bühne mit einem neuen Solo-Programm: "Spaßvogel(n)!". Und das ist auch gut so, denn der Mann hat Biss, seine Pointen sitzen, seine Witze sind gut. Er ist allerdings kein bloßer Witzeerzähler, sondern einer, der eine Figur erfindet, die er wunderbar ausgearbeitet hat und mehr als überzeugend spielt. Man meint gar, Langer sei es selbst, so authentisch gibt er diesen Oberbayern an den Ecken und Kanten des Lebens. Was auffällt, ist aber nicht nur Langers schauspielerisches Können, sondern auch die gut gebaute Dramaturgie dieses Monologs mit fast unmerklichen Überleitungen von Thema zu Thema.

Vergangenen Samstag spielte er die erst zweite Vorstellung dieses brandneuen Kabarettprogramms im Festsaal der Trattoria Limone in Pöring. Voll war der Saal, offensichtlich erinnern sich doch noch so einige an seine einstigen Kabarettauftritte bei Ottis Schlachthof und anderswo.

Zu Beginn ist die Bühne dunkel. Lediglich ein lautes Türknarzen ist zu hören, dann Herzschläge; in dieser Düsterkeit tritt der Protagonist auf und zündet eine Kerze an. Erst dann geht das Licht an. Schnell wird klar, hier wird ein Mann erfunden, dessen Leben im Abstieg begriffen ist. Krise. Burn out. Psychotherapie. die Ehe scheint verhärtet, der Job ist verloren, der Sinn des Lebens sowieso. Worüber der Mann gerne spricht, ist die Anzahl der Biere, die er ständig trinkt. Auch wenn es in diesem Stück ums Scheitern geht, um Sinnsuche, das Lachen im Saal verebbt nicht. Langer erzählt amüsant und mit wunderbarem Humor. Manchmal geht es dabei auch ganz schön derb zu. Bayerisch eben. Von der Ehefrau tyrannisiert, liegt er im häuslichen Pool, mindestens zehn Halbe intus, um den Restkater vom Abend zuvor zu vertreiben. Er möge doch den Buben vom Bahnhof abholen, herrscht sie ihn an. Und dann wird's fast wie im Film: Er schlüpft hastig in eine Leopardenbadehose, fährt los, doch, oh weh, der Tank ist leer. Er hat kein Geld dabei, findet noch ein paar Scheine im Auto, und trifft im "Tarzankostüm" auf die wunderschöne Nachbarin, die sich allerdings abrupt abwendet, da unter seiner in die Jahre gekommenen Badehose etwas durchschaut. Peinlich. "Fährt Tarzan zum Baden?" fragt ihn der Freund und Tankwart, später die Polizeistreife, die ihn wegen Verkehrsverstößen anhält. Allmählich wird klar: Der arme Kerl befindet sich auf einer Reise nach Absurdistan.

Der gebürtige Münchner erfindet um seine Figur einen wunderbaren Plot. Bei den Polizisten hilft kein Witz ("Haben Sie das Überholverbotsschild mit dem roten Auto nicht gesehen? - Fahre ich ein rotes Auto?"). Wieder zu Hause, muss er sich die alltäglichen Vorwürfe seiner Frau anhören. In dem Sketch wird das Verhältnis der Geschlechter samt eingeschlafener Sexualität thematisiert, das Lebensgefühl vieler Menschen nach jahrzehntelanger Ehe. Freiheit gibt's nur noch im Funkloch, ansonsten wird man überall kontrolliert. Dem Gelächter folgt Nachdenklichkeit.

Die Quintessenz des Abends: Das immer höher, schneller, weiter Wollen in allen Bereichen des Lebens steht dem eigentlichen Leben entgegen. Man will doch einfach nur sein. Da rechnet er vor, wie viele Jahre bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 80 Jahren rein statistisch verplempert werden: 24 Jahre Schlaf, fünf Jahre Essen und Trinken, zwei Jahre auf dem Klo, acht Jahre Arbeit, vier Jahre Ausbildung. Er kommt auf 62 Jahre ohne Sinn. Und: nur fünfeinhalb Tage (!) für Orgasmen. "Nicht einmal eine Woche in einem 80 Jahre dauernden Leben!"

Langer parodiert die Lebenskrisen in einer immer rasanter sich verändernden Gesellschaft. "Erst opfert man seine Gesundheit, um Geld zu verdienen, dann gibt man sein Geld für Gesundheit aus. Man lebt nie in der Gegenwart. Und irgendwann stirbt man und hat eigentlich nie gelebt." Ein feines, sehr treffsicheres Kammerspiel hat Langer da erfunden.

© SZ vom 07.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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