Zorneding/Mtwapa:Mutter Courage

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Essenszeit: Regina Scheffold hat in Kenia neue Aufgaben gefunden, die sie erfüllen. Sie arbeitet an der "Sahajanand Special School" in Mtwapa. (Foto: privat)

Regina Scheffold wanderte nach Kenia aus und betreut dort Kinder an einer Behindertenschule

Von Franziska Bohn, Zorneding/Mtwapa

Urlaub in Kenia, das bedeutet: Traum-Strände, Safari und Sonnenuntergänge. Leben in Kenia, das bedeutet: bunte Vielfalt, aber auch Armut und Leid. Regina Scheffold kam zuerst wie so viele andere zum Urlaub machen nach Ostafrika, das war vor vier Jahren. Kurz darauf lernte sie in Kenia ihren Mann kennen, mittlerweile möchte die heute 55-Jährige nicht mehr zurück nach Deutschland. Grund dafür ist auch eine ganz besondere kenianische Schule.

Scheffold stammt aus Zorneding, vor ihrer Ausreise arbeitete sie viele Jahre als Leiterin von Kindertagesstätten im Nachbarlandkreis München. Vor drei Jahren gab sie die Leitung des Awo-Kinderhauses Pfiffikus in Höhenkirchen-Siegertsbrunn ab. In Kenia arbeitet sie seither wechselnd im Fischereigeschäft, als Taxifahrerin, Bar-Inhaberin, Verkäuferin und Schmuckherstellerin. Außerdem gibt sie Teambuilding-Seminare. Ein Ort liegt ihr dort besonders am Herzen: die Schule "Sahajanand Special School" in Mtwapa, ein Küstenort nördlich der kenianischen Hafenstadt Mombasa.

Auf die Schule gehen 1800 Schüler, 800 von ihnen sind körperlich oder geistig behindert. Sie wohnen in einem Heim, das zur Schule gehört. Die Sahajanand Special School wurde vor elf Jahren gegründet. Die Heimbewohner erhalten dort eine Ausbildung, entsprechend ihrer Fähigkeiten. Die Schule finanziert sich hauptsächlich durch Spenden kenianischer Firmen. Das Heim zählt laut Scheffold zu den größten Afrikas. 200 Mitarbeiter sind dort beschäftigt, 50 Lehrer werden bezahlt, der Rest besteht aus freiwilligen Helfern. Geleitet wird es von einem Kenianer, den alle Mister Mzungu nennen. Mzungu ist Suaheli und bedeutet wortwörtlich "jemand, der ziellos herum wandert". Als Mzungu werden meistens weiße Touristen bezeichnet. Warum ein Einheimischer so genannt wird, ist Regina Scheffold ein Rätsel.

"Die Kinder dort sind mir einfach ans Herz gewachsen", sagt sie. Eigene Kinder hat sie nicht, ihr kenianischer Mann ist bereits gestorben. Die Bewohner des Hauses sind zwischen sechs und 59 Jahre alt. "Die meisten bleiben dort, bis sie sterben", sagt Scheffold. Oft spielt sie mit ihnen, bemalt Gesichter, besucht Naturparks, redet mit ihnen. Besonders Ausflüge an den Strand am Meer seien echte Höhepunkte für die Bewohner, da sie nur selten aus dem Heim herauskämen. "Da wird immer viel gelacht", erzählt die frühere Zornedingerin.

Zurzeit arbeitet sie an einen Programm, um die sozialen Kompetenzen der Heimgruppen zu trainieren. All diese Unternehmungen hat sie selbst finanziert. Das ist ihr jetzt jedoch nicht mehr möglich, der finanzielle Aufwand sei zu groß. Die Armut zu sehen, mache sie traurig, sagt Scheffold, deshalb will sie helfen. "Aber wer kann schon halb Kenia retten?" Für sie sei es normal, Randgruppen der Gesellschaft Aufmerksamkeit zu schenken. Wie jedoch behinderte Menschen in Kenia üblicherweise behandelt werden, ist in ihren Augen eine Schande: "In manchen Regionen werden sie einfach umgebracht. Menschen mit Behinderung gelten als großes Unglück." In dem Kinderheim fehle es an allem: an Kleidung und Spielsachen, an Personal - Therapeuten, Krankenschwestern, Lehrern. Aber auch an Medikamenten, Krücken und Rollstühlen. Die Liste ist lang.

Scheffold bemüht sich, aus ihrer alten Heimat Menschen zu finden, die Patenschaften für Bewohner übernehmen. Auch Freiwillige könnten das Heim unterstützen. Sie möchte dafür die Organisation und Betreuung der Freiwilligen vor Ort übernehmen. Dabei sei ihr wichtig, dass beide Seiten davon profitieren. Am Dienstag, 26. September, findet dazu um 18 Uhr ein Infoabend im Sozialraum der Nachbarschaftshilfe, Putzbrunner Straße 52, in Ottobrunn statt.

Warum ausgerechnet Kenia? Das wurde Regina Scheffold schon oft gefragt. "Von klein auf fand ich fremde Kulturen spannend. Ich bin schon immer viel gereist." In Kenia habe sie Freiheiten, die sie in Deutschland nicht habe. Zum Beispiel könne sie sich so bunt anziehen, wie sie möchte, ohne schräg angeschaut zu werden. "Durch das enge Zusammenleben hier sind alle sehr offen. Man hört buchstäblich jeden Furz des Nachbarn", sagt sie und lacht.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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