Zorneding:Mehr Spezialisierung

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Teilnehmer einer Diskussionsrunde befürchten, dass die geplante Generalisierung der Pflegeausbildung Bewerber abschreckt statt zu motivieren

Von Alexandra Leuthner, Zorneding

In zwei, spätestens drei Jahren soll nach einem Entwurf des Bundeskabinetts der Weg in die Pflegeberufe vereinheitlicht werden. Kranken-, Alten- und Kinderpfleger sollen eine gemeinsame dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft durchlaufen und sich erst in weiterqualifizierenden Studiengängen spezialisieren können. Ob damit tatsächlich dem Notstand an Pflegekräften begegnet werden kann, ist umstritten.

Im Zornedinger Haus Bartholomäus meldeten sich in einer Gesprächsrunde zum Thema am Donnerstag vor allem Skeptiker der geplanten Neuregelung zu Wort, die grundsätzlich mehrheitlich auf Seiten der privaten Träger zu finden sind. Wolfgang Frühschütz, Geschäftsführer des Trägerverbands Compassio mit 28 Einrichtungen in Süddeutschland, machte da keine Ausnahme. Die Generalisierung, in der nach dem vorliegenden Entwurf jeder Auszubildende alle drei Pflegerichtungen mit einer festgelegten Stundenzahl an Praxiseinsätzen durchlaufen müsste, werde vor allem jene Frauen abschrecken, die erst im mittleren Lebensalter über eine Umschulung in den Altenpflegebereich hinein wollten. "Das sind bei uns aber 40 Prozent, und 90 Prozent von ihnen sagen, unter diesen Umständen würden sie es nicht machen."

Insgesamt werde eine generalisierte Ausbildung wohl eher zu einem Rückgang an Bewerbern allgemein, aber im Altenpflegebereich im Besonderen führen, befürchteten nicht nur Frühschütz, sondern auch die Lehrerin an der Erdinger Dr. Herbert-Weinberger-Berufsfachschule, Monika Heuring, und der Leiter des Zornedinger Seniorendomizils, Stefan Schmidt. Schließlich sei der Bedarf an Pflegekräften in den Krankenhäusern noch höher als in der Altenpflege, und wenn alle Auszubildenden auch ein Krankenhaus durchlaufen müssten, würden dort viele abgeworben werden. Nicht umsonst setze sich die Krankenhauslobby so sehr für die generalisierte Ausbildung ein. Monika Heuring wies darauf hin, dass es eine generalisierte Ausbildung wohl auch für viele Pflegefachschüler komplizierter mache, die gelehrten Inhalte zu verstehen, auch im Hinblick auf den hohen Anteil an ausländischen Schülern.

Dazu komme, dass für Fachschulen, aber auch für ausbildende Einrichtungen, der Aspekt der Lebensbegleitung angesichts der oft sehr jungen Bewerberinnen - viele kommen derzeit aus Bosnien - immer wichtiger werde, erklärte Hausleiter Schmidt. "Wir können nicht nur ausbilden, wir müssen auch bei der Wohnungssuche, beim Deutschlernen helfen, wir haben da fast schon einen Erziehungsauftrag." Ohne die ausländischen Fachkräfte aber lasse sich die Pflege nicht mehr bewältigen. "Wir brauchen die Leute, ohne Zuwanderung geht gar nichts mehr", sagte Frühschütz. "In fünf Jahren", erklärte er, "haben wir ohnehin eine Warteliste für unsere Einrichtungen." Neue Häuser aber werde seine Organisation trotz der Nachfrage nicht bauen können, weil es schon jetzt an Fachkräften fehle. "Wir brauchen Masse."

Ein weiteres Argument gegen die geplanten Änderungen brachte Alexandra Oefelein, die stellvertretende Schulleiterin der Caritas-Schule St. Korbinian in Baldham zur Sprache. Da die Entwürfe einen großen Anteil an Pflichtstunden in einer Kinderklinik oder -abteilung vorsähen, über die viele Krankenhäuser gar nicht verfügen, könnte das das Aus für etliche Berufsfachschulen auf dem Land bedeuten, da es schlicht zu wenig Praxisplätze in den Kliniken gebe. Gerade für schwerkranke Kinder sei es überdies völlig unzumutbar, fügte Heuring hinzu, wenn ständig Riesengruppen wechselnder Auszubildenden durch ihre Zimmer geschleust werden müssten. Aber auch am altersmäßig entgegen gesetzten Ende der Pflegebedürftigen sahen die Diskussionsteilnehmer Probleme. Bereits jetzt seien 60 Prozent der Bewohner von Seniorenheimen dement, erklärte Frühschütz, "speziell darauf müssten unsere Auszubildenden viel besser vorbereitet werden". Gerade die Ausbildung im Umgang mit Demenz aber sei in der Schule gerade ein Riesenthema, bestätigten die beiden Lehrerinnen. "Viele Schüler haben Angst davor, mit dementen Menschen umzugehen", sagte Heuring. Mit speziellen Lernformen wie Psychodrama könne dem entgegen gewirkt werden. Mit der Generalisierung der Grundausbildung aber bleibe für diese Dinge noch weniger als Zeit als bisher.

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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