Symphonie-Orchester Zorneding:Konzert mit Musikgeschichte

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Pascal Heinzmann hat es geschafft, aus seinem Laienorchester eine stattliche Leistung hervorzubringen. Er verehrt Schostakotwitsch. (Foto: Christian Endt)

Das Zornedinger Symphonie-Orchester glänzt mit Schostakowitschs 9. Symphonie. Leiter Pascal Heinzmann erklärt zuvor die Entstehungsgeschichte

Von Anna Weininger, Zorneding

Es sollte eine heroische Siegessymphonie werden, die 9. Symphonie von Dmitrij Schostakowitsch. Zumindest hatte sich das Stalin nach seinem Sieg über Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs erwartet. Doch dass Schostakowitsch 1945 letztendlich ein Werk kreierte mit vielen Codes, in denen er kritisch den "Zirkus" um den russischen Kriegsführer musikalisch verarbeitete, hatte Stalin zum Glück nicht erkannt, sonst hätte das den russischen Komponisten möglicherweise das Leben gekostet. Diese Codes zeigte das Symphonieorchester des Kulturvereins Zorneding-Baldham in seinem Herbstkonzert am Samstag im Martinstadl Zorneding und am Sonntag im Alten Speicher Ebersberg auf und machte die musikalischen Bilder des russischen Komponisten hörbar.

Alleine die Tonart (Es-Dur) und die magische Zahl der 9. Symphonie lassen ein verherrlichendes Werk vermuten - in Anlehnung an Beethovens 9. Symphonie "Eroica". Doch Schostakowitsch dreht den pompösen Charakter in den Orchesterstimmen bereits nach wenigen Takten in ein zynisches Ges-Dur - eine Tonart, die man an der Stelle nicht erwartet. Andreas Pascal Heinzmann, Leiter und Dirigent des Symphonieorchesters Zorneding-Baldham, gibt in einer Zusammenfassung vor der Aufführung einen fundierten Einblick in die Passagen der Symphonie und ihre Deutungen. Leidenschaftlich demonstriert er die Genialität des Komponisten und entlockt seinen Musikern wie auf Knopfdruck die jeweiligen Symphonie-Ausschnitte. Eine bemerkenswerte Vorbereitung auf das Gesamtwerk.

Immer wieder führt Schostakowitsch die Hörer vor. Der heldenhaft anmutende Posaunen- und Trommelwirbel im ersten Satz lässt den gleichschrittigen Marsch der Soldaten erahnen, doch dann wird er frech von der Piccoloflöte abgelöst in schrillen und rudimentären Melodien. Was als ironische Persiflage klingt, ist tiefernstes Kalkül. Bewusst setze der Komponist eine "kaputte Flöte ein, die bei der Hälfte abgebrochen ist", erklärt Heinzmann - die Piccoloflöte also - ein Symbol für das "unvollständige Heer", das nach dem Krieg verwundet heimkehrt.

Immer wieder keimt das Marschmotiv auf, souverän gespielt von den Bläsern und der Pauke des Symphonieorchesters. Wechselnde Rhythmen und verzögerte Einsätze, die Schostakowitsch als durchkomponiertes Chaos integriert, kommen präzise. Die fulminanten Passagen im ersten Satz werden im zweiten durch klagendes Leiden und Einsamkeit abgelöst. In anschwellendem Crescendo wiegen sich die Streicher in gedämpfter Melodie bis die Querflöte einen Hoffnungsschimmer aufkeimen lässt. Das Ganze mündet in einen lebensfrohen dritten Satz, in dem die Trompete einen reißerischen Zirkusmarsch schmettert, flankiert von trommelnden Sechzehnteln der Streicher. Flink und stimmsicher huschen die Finger von Hannes Jackel über die Klarinette, dann donnert brachial ein gewaltiges Gewitter durch die Bläserbesetzung und rollt in die Streicherstimmen. Schostakowitschs Finale der Symphonie beginnt im vierten Satz mit einem drohenden Posaunen-Unisono - das jüngste Gericht - die Trauer um die Verstorbenen.

"So ein Programm ist sehr schwer auf die Beine zu stellen", erklärt Heinzmann, der es geschafft hat, aus seinem Laienorchester eine stattlich Leistung hervorzubringen. Für die Bläserstimmen holte er sich externe Musiker in die Besetzung der Piccolo, der Posaunen und der Trompete. Mit großer Leidenschaft navigiert er seine Musiker durch das Meisterwerk von Schostakowitsch. "Ich verehre diesen Komponisten. Er muss einfach in die Menschen rein", schwärmt er.

Die Symphonie des russischen Komponisten war gewiss der Höhepunkt des Orchesterabends. So stellte sie die Orchestersuite in D-Dur von Johann Sebastian Bach, mit der die Zornedinger das Konzert fürstlich eröffneten, fast etwas in den Schatten. Zumal das Orchester in diesem Werk auch nicht ganz so souverän auftrat. Bemerkenswert jedoch meisterten die Musiker das Konzert für Violoncello von Joseph Haydn und gaben Anikó Zeke am Cello ein klangvolles Fundament. Zeke, die mehrfach schon nationale und internationale Wettbewerbe abgeräumt hat, legte eine schöne Soloperformance hin. Schnelle Passagen und Akkorde fasste sie mit ihrem Bogen kraftvoll und erzeugte damit eine energetische Schwingung, die unter die Haut ging.

© SZ vom 07.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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