Zorneding:"Juristisch kein Problem"

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Sind Sylvia Bohers Aussagen Meinung oder falsche Tatsachen?

Interview von Isabel Meixner, Zorneding

CSU-Vorsitzende Sylvia Boher hat im "Zorneding-Report" Stimmung gegen Flüchtlinge gemacht. Die Partei steht hinter ihr und spricht von Meinungsfreiheit. Aber ist es das wirklich? Ein Interview mit Rechtsanwalt Hartmut Wächtler.

SZ: Was halten Sie von Sylvia Bohers Aussagen über Flüchtlinge?

Hartmut Wächtler: Das ist unqualifiziert und moralisch schon deshalb eine Feigheit, weil sie von Anfang an ihre Worte Franz Josef Strauß in den Mund legt. Juristisch sind ihre Äußerungen aber kein Problem.

Ist es Meinungsfreiheit, wenn man falsche Tatsachen verbreitet ?

Da muss man unterscheiden: Wenn ich etwas über Sie persönlich verbreite, das Sie als Person herabsetzt oder verächtlich macht, dann unterscheidet man zwischen Meinung und falschen Tatsachen. Wenn ich Sie als "schräger Vogel" bezeichne, geht das gerade noch als Meinungsäußerung durch. Wenn ich behaupte, Sie klauen jeden Tag Sachen im Supermarkt, muss ich das belegen können, sonst gilt das als Verleumdung.

Wie sieht es bei Diffamierungen von Gruppen aus?

Sie können den größten Unsinn verbreiten, etwa dass Gott die Welt in sieben Tagen im Jahr 1871 erschaffen hat, und das ist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Nur wenn ich im Bezug auf eine Person etwas verbreite, ist das eine Verleumdung. Es gibt allerdings den Paragrafen 130 des Strafgesetzbuches zur Volksverhetzung. Der versucht, die Individualbeleidigung auf Gruppen zu übertragen. Kürzlich war ein Mädchen angeklagt, das ein T-Shirt mit der Aufschrift "All cops are pigs" trug. Das ist eine Beleidigung gegen alle Polizisten der Welt, keine Frage, und die Gerichte in München verurteilen das auch immer. Die höhere Rechtsprechung hebt das auf mit der Begründung, dass "alle Polizisten der Welt" aber keine fassbare Gruppe sind.

Was ist dann eine zu fassende Gruppe?

Wenn Sie sagen "Alle Juden sollen ins KZ", dann ist das eine bestimmte religiöse Personengruppe. Diese Aussage fällt unter Paragraf 130. Die Juristen streiten aktuell darüber, ob Flüchtlinge eine bestimmbare Gruppe sind oder nicht. Aber eher nicht, weil nicht klar ist, wer genau gemeint ist.

Und die Äußerungen über Angela Merkels und Joachim Gaucks Herkunft?

Die Fakten stimmen ja. Angela Merkel ist eine Pastorentochter, Joachim Gauck ein protestantischer Pastor aus der ehemaligen DDR. Aber klar: Die Gedanken über einen Gottesstaat, die sie Franz Josef Stauß nahelegt, sind einfach geschmacklos.

© SZ vom 26.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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