Zorneding:Hörspiel zum Anschauen

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Eher ernst ging es im ersten Teil des Hörspiel-Abends im Saal der Christophoruskirche zu, hier zählten vor allem die Stimmen. (Foto: Hinz-Rosin)

Beim "Literarischen Herbst" werden die Stücke "Turandot" und "Dickie Dick Dickens" lebendig

Von Friederike Hunke, Zorneding

Bei einem Hörspiel gibt es normalerweise nichts zu sehen. Am Sonn-tag jedoch bekamen eine chinesische Prinzessin und ein Krimineller aus Chicago nicht nur jeweils eine Stimme, sondern auch ein Gesicht. Im Rahmen des "Literarischen Herbstes in Zorneding" inszenierten acht Laiensprecher zwei Live-Hörspiele im Gemeindesaal der Christophoruskirche.

Die Frauen und Männer tragen schwarz. Einfache Leselampen genügen als Beleuchtung am langen Pult. Was hier zählt, ist die Stimme. Für die im Hörspiel übliche Geräuschuntermalung muss der Zuständige nur selten auf technische Einspielungen zurückgreifen, denn ihm stehen ein Klavier und eine E-Gitarre zur Verfügung. So gelingt es ihm, fernöstliche Klänge nach Zorneding zu holen, die das erste Stück des Abends untermalen: das tragikomische Märchen der schönen, aber grausamen chinesischen Kaiserstochter Turandot, die ihre Freier hinrichten lässt, da keiner von ihnen ihre Rätsel lösen kann. Wolfgang Hildesheimer variierte den klassischen Stoff. So tritt in Zorneding der Prinz von Astrachan als Brautwerber auf. Der Hörer erfährt bald, dass er diese Identität nur vorgibt und eigentlich ein Abenteurer ist. Doch bis Turandots kaltes Herz endlich auftaut, gibt diverse Verwicklungen.

Es dauert, bis Sprecher und Zuhörer miteinander warm werden. Erst beim "Prüfungsgespräch" zwischen der Kaiserstochter und dem falschen Prinzen gibt es erste Lacher. Nicht ohne eine gewisse Genugtuung lauscht man dem Wortwitz und den frechen Antworten des Prinzen, der die Götter beleidigt und die stolze Turandot zunehmend aus der Fassung bringt. So gelingt es mit diesem Schlagabtausch, die Zuhörer in den Bann zu ziehen. Carolin Schubert füllt die Figur der Turandot mit Leben. Die gelernte Schauspielerin lässt in Stimme und Mimik die kalte Arroganz und das Machtstreben der Prinzessin greifbar werden. Doch nicht alle Sprecher sind so professionell: Einzelne Stimmen brechen und stocken gelegentlich, doch allen gelingt es, den Raum ohne technische Verstärkung zu füllen.

Mit Beginn der zweiten Hälfte lockert sich die Stimmung. Dazu trägt eine technische Panne bei: Das Tonband, von dem der Vorspann des nächsten Stückes abgespielt werden sollte, geht nicht an. Nach dem ernsten Auftakt können Publikum und Sprecher nun herzlich gemeinsam lachen. In der entspannten Atmosphäre nimmt die Handlung schnell an Fahrt auf. Dieses Mal geht es um Dickie Dick Dickens, der sich dem Verbrechen verschrieben hat und sagt: "Ich bin glücklich mit dem, was ich habe. Ich will nicht hoch hinaus. Täglich ein paar kleine Diebstähle, das reicht - sonst käme ich am Ende noch mit dem Gesetz in Konflikt!" Seine Freundin Effi Marconi schleust sich ihm zuliebe bei der Bande von Jim Cooper ein, dem Gangsterboss von Chicago. Doch dieser schöpft Verdacht, als immer mehr seiner Leute ums Leben kommen. . .

Die Kriminalsatire unterhält die etwa 30 Zuschauer gut. Für Lacher sorgen die Verkleidungen und Requisiten, die von den Sprechern mit viel Selbstironie eingesetzt werden. Als alle gemeinsam ein paar Flaschen Bier köpfen und laut grölend eine Bande von Kriminellen verkörpern, haben die Sprecher selbst sichtlich Spaß. Organisator Peter Wurm, der ebenfalls einen Sprechpart übernommen hat, kennt die Hörspiele um Dickie Dick Dickens bereits aus seiner Jugendzeit. "Das war damals wirklich ein Straßenfeger, da saßen wir immer alle vergnüglich vorm Radio", erinnert er sich. In der Live-Form fand die Hörspiel-Serie aus den 50er und 60er Jahren jetzt in Zorneding einen neuen, lebendigen Ausdruck.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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