Zorneding:Fünf Heilige auf Wanderschaft

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Sieben Jahre beherbergte Hobbyrestauratorin Elfriede Schubert eine Weißenfelder Figurengruppe. Nun steht wieder ein Umzug an

Von Rita Baedeker, Zorneding

Sieben ist eine biblische Zahl! Sieben Jahre lang hat Elfriede Schuster in ihrem Zornedinger Arbeitszimmer biblische Gestalten beherbergt. Die meiste Zeit allerdings steckten die fast lebensgroßen Charakterdarsteller der Passion unter einem schützenden Bettlaken: Jesus, der am Ölberg bei Jerusalem seinen himmlischen Vater um sein Leben anfleht, der Engel, der Jesus den Todeskelch offenbart, drei schlummernde Jünger, darunter Petrus, der im Schlaf seinen Dolch umklammert. Zwei weitere Mitglieder der "Ölberggruppe", wie man sie nennt, lagerten im Keller. Wann sie geschaffen wurden und von wem, weiß man nicht. An diesem Donnerstag zieht die heilige Schar weiter in eine neue - wiederum provisorische - Unterkunft im Gemeindearchiv Vaterstetten.

Als die einst zur Ausstattung der erstmals 1315 erwähnten Weißenfelder Bartholomäus-Kirche gehörenden Figuren den Weg in Elfriede Schusters Haus fanden, waren sie in einem beklagenswerten Zustand. "Zerfressen vom Holzwurm, von Feuchtigkeit aufgeweicht, Füße, Flügel und Arme waren zerbrochen, überall war der Holzwurm drin", so beschreibt Schuster, die viele Jahre lang als Hobby-Restauratorin tätig war, ihre Schützlinge. Freunde hatten ihr erzählt, dass die Gruppe, die im Turm des Gotteshauses lagerte, dringender Hilfe bedurfte. Der damalige Pfarrer, sagt sie, habe ihr dann diese Aufgabe anvertraut.

Arbeitszimmer statt Ölberg: Jesus und ein Engel, dem der Kelch abhanden gekommen ist. (Foto: Christian Endt)

Darüber gingen die Jahre ins Land. Schuberts kosmetische Operationen, gute Pflege und, ja, Familienanschluss sind den Heiligen sichtlich gut bekommen. Die Finger des Engels musste Schubert nachschnitzen, der Riss in der rechten Wange ist gekittet, auch am Flügel musste nachgebessert werden. Der Kelch, Symbol des unausweichlichen Todes, ist verschollen, nur das Loch in der Hand des Engels, in dem das Gefäß einst steckte, ist sichtbar.

Elfriede Schubert, die seit 42 Jahren in Zorneding lebt, hat ihr Handwerk bei einem Möbel-Restaurator gelernt und zwanzig Jahre lang Kurse in Bauernmalerei gegeben. Zu ihren Arbeiten zählt eine schmucke kleine Musiktruhe, deren chinoise Deckelmalerei sie mittels Bier und Körnerbeize geschaffen hat. Sie hat Straußeneier graviert und ist im Landesbund für Vogelschutz tätig. Auch eine verwundete Madonna in der Finsinger Kapelle hat sie gerettet; Burschen hatten die Figur als Schießscheibe benutzt, berichtet Schubert.

Das kleine Arbeitszimmer teilten sich die Heiligen mit einer Unmenge von Fachbüchern und Pinseln. "Ich war oft in Museen und habe mir sakrale Kunst angesehen, nicht nur in Deutschland", erzählt die 74-Jährige, die früher als Sekretärin in der Industrie gearbeitet hat und sich als sehr naturverbunden bezeichnet. "Ich habe eine enge Beziehung zum Holz, denn ich bin in einem Wald am Rhein aufgewachsen", erzählt Schubert. Irgendwann meldete sie sich für einen Bauernmalkurs an. "Ich habe mit traditionellen Motiven gearbeitet, nicht mit den pseudo-rustikalen Mustern, die heute modern sind", sagt sie. Doch all das gehöre nun der Vergangenheit an. "Ich restauriere nichts mehr." Nur die Heiligen vom Ölberg, die hat sie beherbergt, bis deren weiteres Schicksal geklärt sein wird.

Elfriede Schubert restauriert liebevoll den wichtigsten Körperteil eines Engels - die Flügel, die arg ramponiert waren. (Foto: Christian Endt)

Dabei helfen könnte vielleicht der langjährige Mesner von St. Bartholomäus in Weißenfeld, Willi Koch. "Man könnte die Gruppe draußen aufstellen, an der Nordwestseite des Friedhofs. Natürlich müsste man ein Gehäuse drumherum bauen." Entscheiden aber müsse das die Kirchenverwaltung. Wer die Ölberggruppe geschaffen hat, weiß allerdings auch er nicht. Es gebe keine schriftlichen Quellen. "Die Weißenfelder sind ordentliche Leute, die haben immer alles Alte weggeschmissen." Beispielsweise wisse man auch nicht, woher der gemalte Kreuzweg kommt, der in der 1720 barockisierten Kirche hängt. Nur dass der Maler nicht bibelfest war, das hat Koch entdeckt. Zwei der Szenen waren in der falschen Reihenfolge angeordnet. "Da kam zuerst die Kreuzigung und danach wurde Jesus seiner Kleider beraubt. Das ist unlogisch." Also hat er die Bilder vertauscht, nun stimmt zwar die Nummerierung nicht mehr, aber die Chronologie ist korrekt.

"An diesem 28. April wird Elfriede Schubert die "Ölberggruppe" ins Gemeindearchiv Vaterstetten schaffen", sagt Koch, der die Geschichte der schmucken Kirche und ihrer Heiligen kennt, darunter auch die der Nothelfer Florian und Georg: beide geklaut, beide wiedergefunden im Kunsthandel in den Niederlanden. Die Ölberggruppe samt Kunstfelsen habe man schon in den Siebzigern aus dem Vorraum der Kirche, wo sie einst aufgebaut war, entfernt. "Die waren nicht mehr up to date", sagt er. Damals sei der Vorraum umgebaut worden - mit Fußbodenheizung. "Die wäre den Figuren nicht gut bekommen." Außerdem hätten manche Kirchenbesucher Respekt vor den großen Gestalten gehabt. "Ein Mann hat mir gesagt, er habe sogar Angst, in die Kirche zu gehen", weiß der Mesner.

Nächste Station auf der Wanderschaft war ein Bauernhof. Doch als der Bauer renovierte, mussten die Heiligen ausziehen, wurden zurück in die Kirche geschafft und im Dachstuhl eingelagert. Als 2007 dort die Renovierung anstand, war die Gruppe wieder ohne Bleibe. Bis man sie zu Elfriede Schubert brachte.

Was nun aus ihnen werden soll, steht abermals in den Sternen. Wolfgang Bauer, Mitglied der Kirchenverwaltung und mit dem Schicksal der Figurengruppe betraut, sagt, man habe noch nichts entschieden.Da demnächst eine Fassaden-Renovierung der Weißenfelder Kirche ansteht, kann man die Gruppe dort nicht unterbringen, auch nicht im Freien, aber sie wird erst mal einen schönen Platz im Gemeindearchiv Vaterstetten bekommen", verspricht Bauer. Ob es dort allerdings so gemütlich sein wird wie bei Elfriede Schubert, ist ungewiss.

© SZ vom 28.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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