Zorneding:Farben, die weh tun

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Die Zornedinger Künstlerin Anna Schilling verarbeitet in ihren Werken die Eindrücke aus ihren Reisen in das Himalaja-Gebirge. (Foto: Christian Endt)

Von Freitag an stellt Anna Schilling ihre Werke im Zornedinger Rathaus aus. Sie spiegeln das mühsame Leben im Himalaja wider

Von Anselm Schindler, Zorneding

"Kathmandu - 1400 Meter hoch, staubige, feuchte Hitze". Der Eintrag stammt vom 24. April 2014: Gekritzelt in ein Tagebuch, genau ein Jahr und einen Tag vor dem großen Erdbeben, das die nepalesische Stadt und den Rest des Landes im vergangenen Frühjahr in Schutt legte.

Anna Schilling hat die Seite mit der Notiz aus ihrem Tagebuch herausgetrennt, so wie viele Skizzen, mit denen sie auf zwei Reisen in den Himalaja ihre Eindrücke verarbeitet hat. Inzwischen hängen die bekritzelten Einträge hinter Glas im Foyer des Zornedinger Rathauses - dort stellt Anna Schilling bis Mitte Oktober ihre Aquarelle, Acryl-Gemälde und Skizzen aus. Am morgigen Freitag, 16. September, um 19 Uhr wird sie die Ausstellung offiziell eröffnen.

Momentaufnahmen, Landschaften, viel kräftige Farben, klare Kanten: Was bei den kleineren Aquarellen Schillings stellenweise schon schwer wirkt, wirkt bei ihren großen Acryl-Gemälden fast erdrückend. Das Leben der Menschen in der Himalaja-Region wolle sie wiedergeben, sagt die Zornedingerin. Und das sei eben mühsam und brutal. Einen jungen Mönch hat sie zum Beispiel gezeichnet, das Bild ist eher unscheinbar, springt nicht gleich ins Auge. Es könnte auch normales Porträt sein, doch die inhaltliche Tiefe liegt im Detail: Im Hintergrund hat Schilling schemenhaft die Konturen eines Fotos aufgebracht. "Das Foto wird mit Nitroverdünner betupft, die Farbe des Fotos lässt sich dann teilweise aufs Papier bringen", erklärt die Künstlerin die Abklatschtechnik.

Auf dem Bild sieht man die Konturen von Gesichtern, es sind allesamt Menschen, die sich mit Benzin übergossen und verbrannt haben - Mönche und Nonnen zumeist, aus Protest gegen die ethnische und kulturelle Unterdrückung der tibetischen Minderheit durch den chinesischen Staat.

Seit Tibet Mitte des vergangenen Jahrhunderts vom chinesischen Staat besetzt und annektiert wurde, sind Hunderttausende Tibeter geflohen, viele davon nach Nepal. "Die Zustände in denen die dort leben müssen, sind eine Katastrophe", erklärt Künstlerin Schilling, die sich vor Ort selbst ein Bild gemacht hat. Nepal ist stark von chinesischem Kapital abhängig, deshalb tanzt es, was die Tibeter betrifft, nach der Pfeife Pekings.

Das alles schwingt irgendwie mit, auch wenn die gesellschaftliche Dimension ihrer Bilder nicht so direkt und aufdringlich daherkommt wie bei einem Otto Dreßler beispielsweise. Begreifbar werden ihre Werke auch, weil sie in ihnen Mitbringsel aus dem Himalaja verarbeitet hat. Gebetsfahnen beispielsweise oder einen angepinselten Stoffüberrest aus einer buddhistischen Klosterschule.

Anna Schilling hat an der Akademie der bildenden Künste in München studiert, hat mit ihrem Ex-Mann und den vier Kindern einige Jahre in Südafrika gelebt, setzte sich dort auch gegen die Apartheid ein. Zurück in Deutschland arbeitete sie als Fachleiterin für Kunsterziehung am Vaterstettener Humboldt Gymnasium. Jetzt, wo Schilling pensioniert ist, hat sie mehr Zeit, sich ihren eigenen Werken zu widmen.

Barfuß steht sie auf einer Leiter im Foyer des Zornedinger Rathauses und hängt die Bilder auf. Und erzählt von ihren Reisen: Bereits 2009 war Schilling im Himalaja unterwegs, mit ihrem damaligen Freund überquerte sie zwei Pässe im äußersten Nordwesten Indiens - mit dem Fahrrad. Wobei sie am viereinhalbtausend Meter hohen Kunzum-Pass kurzweilig auf einen Laster umstiegen. Er transportierte die beiden auf seiner Ladefläche, zusammen mit vielen hundert Kilo getrocknetem Yak-Dung, der in der Region vor allem zum Heizen verwendet wird.

Im Jahr 2014 war Schilling mit einem Sherpa in den Bergen unterwegs. "Die Sherpas", sagt Schilling und wird kurz still. Dann fängt sie an zu erklären, dass es sich dabei vielmehr um eine Ethnie als einen Beruf handele. Ihre Bilder sind vor allem eines: Eine Hommage an die Bevölkerung des Himalaja.

© SZ vom 15.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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