Zorneding:Der Normalfall ist Standard

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Bei ihrem Besuch im Zornedinger Seniorenheim St. Bartholomäus spricht Doris Rauscher auch mit Bewohnern. (Foto: privat)

Zornedinger Seniorenheim zufrieden mit neuer Dokumentation

"Pflegekräfte gehören nicht den halben Tag ins Stationszimmer, um ihre Arbeit zu dokumentieren, diese Zeit sollten sie lieber mit den Bewohnern verbringen!" Dieser Meinung ist Stefan Schmidt, Leiter des Compassio Seniorendomizils Haus Bartholomäus in Zorneding. Als erstes Pflegeheim im Landkreis Ebersberg beteiligt sich sein Haus an dem Projekt "Entbürokratisierung in der Pflege" des Bundesgesundheitsministeriums. Dafür hat die Einrichtung auf ein neues, im Vergleich zu früher deutlich verschlanktes Dokumentationsmodell umgestellt. Etwa 30 Prozent aller Altenheime nehmen bislang an dem Modellversuch teil.

Wie es nach der Umstellung läuft und welche Erfahrungen das Seniorendomizil gemacht hat, darüber hat sich Doris Rauscher, Ebersberger SPD-Landtagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Gesundheit und Pflege, nun informiert, um zu überprüfen, wie sich die politische Idee in der Praxis umsetzen lässt. "Sonst ist schnell etwas gut gemeint, aber nicht gut gemacht", so Rauscher. Umso zufriedener zeigte sie sich, dass der Modellversuch erfolgreich ist. Auch Schmidt freute sich sehr über den Besuch und das Interesse der Politikerin.

Die Umstellung auf das neue Dokumentationssystem fasste bei Rauschers Besuch in Zorneding Pflegedienstleiterin Heike Reinhart-Keller zusammen: "Jetzt ist der Normalfall Standard, nur noch die Abweichung wird dokumentiert. Vorher musste alles haarklein aufgeschrieben werden." Konkret heißt das beispielsweise, wenn ein Bewohner grundsätzlich zweimal pro Woche die Haare waschen möchte, muss dies nicht - wie bisher - alle zwei Monate neu schriftlich festgehalten werden. Erst dann, wenn er plötzlich auf tägliche Haarwäsche umstellen möchte, ist ein Eintrag fällig.

Auch Selbstverständlichkeiten, etwa dass bei Betreten eines Raumes das Licht angeknipst wird, müssen die Pflegekräfte, anders als früher, nicht mehr aufschreiben. "Wir mussten Dinge dokumentieren, die machten schlichtweg keinen Sinn", sagte Einrichtungsleiter Schmidt. Er ist mit der neuen Dokumentation bereits sehr zufrieden, weil sie den Pflegekräften viel mehr Zeit für ihre eigentliche Aufgabe lässt, sich um die Bewohner zu kümmern. "Jetzt sind die Pflegekräfte in fünf Minuten pro Tag mit ihrer Dokumentation fertig", sagt Schmidt. Die Pflege selbst stehe dadurch wieder im Vordergrund, nicht die Dokumentation. Ein Schritt in die richtige Richtung sei damit getan, er hoffe jedoch auf weitere Verbesserungen im Pflegebereich - insbesondere im Hinblick auf den Fachkräftemangel. Außerdem sei Schmidt gespannt auf das Pflegestärkungsgesetz II, das nächstes Jahr greifen wird.

"Es ist endlich was in Bewegung gekommen", freut sich die Ebersberger SPD-Abgeordnete, die sich auch auf Landesebene für neue Wege im Pflege-Dokumentationssystem eingesetzt hat. Rauscher hat als fachpolitische Sprecherin für Pflege ihrer Fraktion noch weitere Initiativen im Pflegebereich eingebracht, etwa den Ausbau von Beratungsstellen für pflegende Angehörige, eine schnellere Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse sowie Verbesserungen in der Weiterbildung im Pflegebereich. Außerdem hat sich die Abgeordnete für eine Ausbildung zur Altenpflegehilfe speziell für Nichtmuttersprachler stark gemacht und auch die Ausbildungsumlage wird auf Druck der SPD in Bayern eingeführt.

Ein weiteres Thema in Zorneding war die generalistische Pflegeausbildung. Dies bedeutet, dass Kinder-, Kranken- und Altenpflege künftig in einer Ausbildung zusammengefasst werden sollen. Schmidt hofft, dass diese Verallgemeinerung nicht zu Lasten der Pflegeinhalte gehen wird. Rauscher zeigte sich aber zuversichtlich, da alle drei Fachrichtungen von Wissen aus der jeweils anderen profitieren würden. Es gebe immer mehr fachliche Überschneidungen - gerade im Hinblick auf multimorbide und an Demenz erkrankte Personen. Was die Situation in der Pflege allgemein angeht, so fordert Rauscher eine gesellschaftliche Debatte. Man müsse sich fragen: "Wie sollen meine Eltern, wie soll ich selbst im Alter betreut werden? Und was brauchen wir dafür, dass dieser Wunsch möglich werden kann?" Die große Frage dabei sei: Wie viel Geld ist uns gute Pflege wert?

© SZ vom 11.04.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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