Zorneding:Das ertrunkene Cello

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Mit einer Trauermusik von Paul Hindemith eröffnen der Stefan Fehlandt und Oliver Triendl das Sonderkonzert zum Gedenken an Heinz Küspert,. (Foto: Christian Endt)

Sechs namhaften Solisten gelingt zu Ehren von Heinz Küspert im Zornedinger Martinstadl ein grandioses Kammerkonzert. Eines der Instrumente hat eine unglaubliche Geschichte

Von Claus Regnault, Zorneding

Was war das für eine Stimme, deren seraphischer und doch zutiefst menschennaher Klang uns in dem Gedächtniskonzert für Heinz Küspert so seltsam berührt hat? Es war der Klang des Stradivaricellos, gespielt von seinem Stimmführer Christian Poltéra, der aus den beiden Ensembles dieses Abends manchmal sogar etwas vorlaut hervortrat.

Poltéra hat dieses Instrument von seinem Lehrer Heinrich Schiff in Besitzerobhut erhalten, eine Wahl, die den Richtigen traf. Dieses wunderbare Instrument aus der Hand des großen Stradivarius hat schon, ehe sein zweites Leben begann, die Schwelle zum Jenseits erfahren. Als es mit dem seinerzeit berühmten Trio di Trieste auf Tournee in Südamerika war, kenterte und sank das Fährboot zwischen Montevideo und Buenos Aires in den Fluten des Rio de la Plata. Das Trio wurde gerettet, das Instrument, an dessen Koffer sich rettungssuchende Passagiere klammerten, ging unter. Es wurde jedoch, ob seines großen Wertes, geborgen, in mühevoller Restaurierungsarbeit wieder zum Leben erweckt. Wir wissen nicht, wie es vor diesem Unglück geklungen hat, doch so wie es jetzt klingt, ist es eine Wunderstimme, in deren Klang sich Jenseitserfahrung mit strahlender Wiederdaseinsfreude zu vereinen scheint. Die unglaubliche Geschichte des Instruments ist von Wolf Wondratschek unter dem Titel "Mara" sehr ansprechend literarisch verarbeitet worden und als Buch bei dtv erschienen.

Das Sonderkonzert des Kulturvereins Zorneding Baldham, organisiert von dessen künstlerischem Leiter Oliver Triendl, hatte aber nicht nur diese außerordentliche Begegnung zu bieten, sondern großartige Kammermusik von einem illustren Musikerensemble, bestehend aus Ilona Then-Bergh, Violine, Daniel Gaede, Violine, Stefan Fehlandt, Viola, Christian Poltéra, Violoncello, Michael Schäfer, Klavier und Oliver Triendl, Klavier. Sie alle gingen mit spürbarer Lust und Engagement zu Werke, beispielhaft dafür, dass Kammermusik die eigentliche Heimat jedes guten Solisten ist; denn anders als in der chorischen Anonymität des Orchesters ist der Musiker hier Solist, der sich auf seinem Instrument als Schöpfer persönlichen Ausdrucks und virtuoser Kunst darstellen kann.

Das Programm, ursprünglich nur mit Mendelssohn und Dvorák vorgesehen (und damit wohl auf Vorlieben des Ehrenvorstands Heinz Küspert anspielend) wurde von Triendl um zwei Beiträge aus dem 20. Jahrhundert bereichert, nämlich der "Trauermusik" (1936) für Viola und Klavier von Paul Hindemith und der "Elegie" (1989) des serbischen Komponisten Milan Mihajlovic für Violine und Klavier. Diese beiden Werke fanden den richtigen Ton der Erinnerung an einen so verdienstvollen Mann wie Heinz Küspert, der neben seinem Beruf als Banker Bedürfnis und Zeit dafür fand, als kreativer "Kulturbürger" Kultur in Gestalt des Vereins und seiner Konzertreihe entscheidend zu bewegen.

Die Gestaltung beider Solisten, Stefan Fehlandt bei Hindemith und Daniel Gaede, jeweils durch Triendl kompetent unterstützt, war der Erinnerung angemessen intensiv, bei Hindemith eher im etwas spröden Tonfall einer Trauerpredigt, bei Mihajlovic voller Wärme und Zärtlichkeit, Eigenschaften, die Gaedes emotionaler Gestaltungskraft - er ist jetzt Professor in Nürnberg und war Konzertmeister bei den Wiener Philharmonikern - entgegenkam.

Hinreißend schließlich die leidenschaftliche Darstellung der beiden Hauptwerke des Abends, Mendelssohns "Klaviertrio c-Moll op. 66" in der Besetzung durch Ilona Then-Bergh, Christian Poltéra und Michael Schäfer, und Dvorák's Klavierquintett in A-Dur op. 81 durch Then-Bergh, Gaede, Fehlandt, Poltéra und Triendl. Mendelssohns Trio gipfelt im Finale im Zitat des Chorals "Vor Deinen Thron tret ich hiermit", einem Moment der Verklärung. Das Dvorák-Quintett schließlich, als überreicher melodisch rhythmischer Musikstrom mitreißend und die entsprechend entfesselte Begeisterung des voll besetzten Saales hervorrufend.

Ein großartiges Konzert mit fabelhaften Kammermusikern, die sich hier erstmals als Ensemble zusammenfanden und zu einer berauschenden Einheit verschmolzen. Unvergesslich - die Stimme des Cellos.

© SZ vom 10.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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