Zorneding:"Chillen ist mehr als nur Nichtstun"

Lesezeit: 2 min

Zornedings neuer Jugendpfleger Axel Glienke will größeren Spielraum für junge Menschen schaffen. Ein Gegenentwurf in Zeiten, in denen Jugendliche auch in ihrer Freizeit dem Leistungszwang unterworfen sind.

Von Anselm Schindler, Zorneding

Als Axel Glienke im Januar sein neues Büro bezog, da stellte er erst einmal einen zweiten Tisch in den Raum. Zornedings neuer Jugendpfleger hofft, dass er bald Unterstützung im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes bekommt. Denn in der Gemeinde gibt es viel zu tun in der Jugendarbeit. Für rund ein Jahr passierte im Jugendzentrum so gut wie gar nichts.

Seit Januar vergangenen Jahres war die Einrichtung kaum noch besetzt, oft standen Jugendliche, die die Räume nutzen wollten, vor verschlossener Tür. Von September an sprang dann wenigstens der Verein Jüngste Kultur ein, um das Jugendzentrum wenigstens einen Abend pro Woche zu öffnen. Zwar lief der Arbeitsvertrag von Glienkes Vorgänger eigentlich bis Ende März 2016, doch der ehemalige Jugendpfleger fehlte faktisch schon im Januar, er musste noch Urlaubstage abbauen.

Jetzt stehen die blauen Türen des Jugendzentrums wieder offen, zunächst einmal immer Mittwoch- und Freitagabend. "Und wer das Juz darüber hinaus nutzen will, kann sich gerne bei mir melden, egal ob Bands oder Tanzgruppen oder Jugendliche, die einfach nur hier chillen wollen", sagt Axel Glienke.

Auf der Facebookseite der Zornedinger Jugendpflege hat der 45-Jährige vor einigen Tagen ein Foto von einem Billardtisch gepostet, der Tisch steht in dem großen Raum neben Glienkes Büro, jetzt wo Glienke da ist, können die Kugeln wieder rollen.

"Auf cool zu machen" wirkt oft gekünstelt

Der Versuch von Erwachsenen, "auf cool zu machen", um gut bei den Jugendlichen anzukommen, wirkt oft gekünstelt, es ist eine Gratwanderung zwischen gekonnter Lässigkeit und peinlichen Anbiederungsversuchen. Axel Glienke kann das mit der Lässigkeit. Er will den Jugendlichen einen Raum geben, "in dem sie einfach Jugendliche sein können".

Dazu gehöre es auch, einfach mal rumzuhängen. "Chillen ist mehr als nur Nichtstun, es ist auch ein Sozialisierungsprozess", sagt der Pädagoge. Glienke sieht das gemeinsame Abhängen als "Entschleunigung" in Zeiten, in denen Jugendliche auch in ihrer Freizeit einem ständigen Leistungszwang unterworfen seien.

Vor einigen Wochen trat ein Student an Glienke heran, er will im Jugendzentrum ein Videospiel-Event organisieren. Jump- and Run-Spiele und Autorennen, gemeinsam zocken statt allein vor der Konsole - es sei vor allem Ziel seiner Arbeit, sagt Glienke, dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen die Möglichkeit haben, das Angebot im Juz nach ihren Interessen zu gestalten.

Und das soll Mitte März auch bei der U16-Disco geschehen, bei der Heranwachsende unter 16 im Jugendzentrum feiern. Auflegen sollen bei der U16-Disco DJs der Jüngsten Kultur. Viele der Zornedinger Jugendlichen dürften diese bereits vom "Electro Open" kennen, einem von dem Verein organisierten Festival für elektronische Musik, das zwei Mal im Jahr junge Menschen aus dem Landkreis und darüber hinaus zum Feiern nach Zorneding bringt.

Doch freilich geht es bei der Jugendarbeit um mehr als um Partys und Zocken. Zum Ziel gesetzt habe er es sich auch, sagt Glienke, die vielen Ehrenamtlichen fachlich zu unterstützen, die sich um Kinder und Jugendliche in der Gemeinde kümmern und beispielsweise das Ferienprogramm gestalten. Auch bei den Elternbeiräten will Glienke sich vorstellen, "ich bin eben überall da Ansprechpartner, wo es um Jugendliche geht oder junge Menschen sich aufhalten", sagt Glienke.

Vom Baggersee bis hin zu den Vereinen.Der diplomierte Sozialpädagoge arbeitet schon seit vielen Jahren mit Jugendlichen. In den vergangenen beiden Jahren betreute er unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Notschlafstellen und einer Wohngruppe in Rosenheim. Auch in den Jahren davor hat Glienke in Rosenheim gearbeitet, für den Stadtjugendring betreute er einen Jugendtreff. Als Glienke dann die Ausschreibung für die Stelle in Zorneding sah, wusste er, dass er in der Gemeinde arbeiten will.

Glienke will auch erreichen, dass die Jugendlichen in Zorneding für ihre Interessen einstehen können. Am 5. April wird im Juz zu diesem Zweck eine Jungbürgerversammlung stattfinden, bei der auch Bürgermeister Piet Mayr anwesend sein wird. Bei der Versammlung soll es darum gehen, dass die Jugendlichen sagen können, wo der Schuh drückt.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: