Zorneding:Atemraubende Dringlichkeit

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Das Parker-Quartett präsentiert Kammermusik in Perfektion

Von Claus Regnault, Zorneding

Schon das unwirsch-grimmige Kopfmotiv in Ludwig van Beethovens Streichquartett Nr. 11 in f-Moll, dem "Quartetto serioso", von ihm selbst so benannt, setzte das Signal, dass in der Folge Ernstes abgehandelt wird. So beginnt dieses Werk, welches in komprimierter Form die über Ernsthaftigkeit hinausgehenden Bedrückungen, ja Leiden seines Komponisten widerspiegelt. Diese Musik ist konzessionslos und hält den Ton der Bedrückung bis auf ein paar, in hellem Dur wie "angeklebt" wirkende Schlusstakte des Finales durch. Welche Erfahrungen des Komponisten dahinter stehen, so die Ablehnung eines Heiratsantrages und vor allem auch die wachsende Bedrohung der Taubheit, mögen diese Umstände erklären, nicht aber ihre musikalisch großartige Umsetzung und Bewältigung.

Das sehr jung besetzte US-amerikanische Parker-Quartett, im New England Conservatory in Boston ausgebildet und dort auch residierend, brachte dieses Werk in einem geradezu stürmischen Tempo zum Klingen, überraschend zwar, aber doch stimmig zu seiner Aussage. Was Daniel Chong, 1. Violine, Keehyan Kim, 2. Violine, Jessica Bodner, Bratsche, und Ying Xue, Cello, an diesem Abend zeigten, war schiere Perfektion, kristallklare Intonation und Klangdurchsichtigkeit, war große Quartettkunst ohne Fehl und Tadel.

So gewann schon die kühne Gestaltung des Beethoven-Quartetts eine geradezu atemberaubende Dringlichkeit. Dies nicht nur in den rascheren Sätzen, in denen das Kopfmotiv des Anfangs weiter zu wirken scheint, und in dem grotesk abwärts hüpfenden Scherzo, sondern vor allem in dem, aus einer gleichfalls abwärts laufenden Skala entwickelten zweiten Satz. Hier entwickelte Beethoven Mehrstimmigkeit als Ausdruck von fast manischem Wiederholungszwang.

Nach Beethoven wurde das Publikum einer Verständnisprüfung durch das "Streichquartett op. 1" von György Kurtág ausgesetzt. Mit diesem Werk, im Alter von 33 Jahren komponiert, beginnt bei ihm die eigentliche "Geburt" als Komponist. Dies geschah einerseits durch die lebensverändernde Begegnung mit der ungarischen Psychologin Marianne Stein (der das Werk auch gewidmet ist), andererseits durch die Erfahrung der musikalischen Szene seiner Generation. Vor allem aber die konzentriert zeichenhafte Musiksprache des Vorbilds Anton von Webern wird zur Geburtshelferin. Kurtág gewinnt so eine sprachliche Verbindung zu seiner ungarischen musikalischen Herkunft (Folklore und Bela Bartók). Im Vergleich zu Weberns eher kühlem Kalkül hat die Emotion bei Kurtág ihren, wenn auch zeichenhaft verkürzten Platz. Wie bei so vielen Werken der Moderne, müsste derartige Musik durch Wiederholung dem Verständnis näher gebracht werden.

Kein Wunder, dass das Publikum nach der Pause der erwarteten Erholung bei Tschaikowsky mit Freuden entgegen ging - es wurde nicht enttäuscht. Der Komponist hatte sein erstes Streichquartett in D-Dur op. 11 für ein Konzert komponiert, von welchem er sich eine Verbesserung seines dürftigen Gehalts am Moskauer Konservatorium versprach. Die Uraufführung dieses melodiereichen und satztechnisch makellosen Werks wurde ein großer Erfolg und begründete auch den Welterfolg des Komponisten. Schuld daran war vor allem das wunderbar melodiöse Andante cantabile, welches sich zum Hit der Jahre nach 1871 entwickelte, und welches Tschaikowsky mit dem zauberhaften gedämpften Klang der Streicher ausstattete.

Riesen-Beifall und als Zugabe ein "Tango" des tschechischen Komponisten Erwin Schulhoff, der leider seine jüdische Herkunft und seine moderne Avantgardehaltung mit dem Tod im Konzentrationslager bezahlen musste. Seine Entdeckerfreude mag wohl auch zu diesem bezaubernden Stück geführt haben, denn es klingt weniger argentinisch als pentatonisch-asiatisch, wozu auch die freundlich lächelnden Mienen der drei asiatisch-stämmigen Mitglieder des Quartetts nicht unwesentlich beitrugen.

Das nächste Kammerkonzert der Reihe findet am Sonntag, 14. Februar, 18 Uhr, statt. Die Schweizer Cellisten Patrick und Thomas Demenga spielen im Martinstadl Werke von Paganini bis Jean Barrière.

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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