Zorneding:Alles wie immer

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Die Zornedinger CSU bleibt gespalten. Nach dem Rücktritt der Ortsvorsitzenden Sylvia Boher gibt es im Gemeinderat lediglich neue Wortführer. Ein Zustandsbericht

Von Carolin Fries, Zorneding

"Sind sie zu stark, bist du zu schwach": Mit dem Werbeslogan für scharfe Minzpastillen lässt sich trefflich der Zustand des Zornedinger CSU-Ortsverbands in Worte fassen. Knapp 100 Tage nach dem Rücktritt der langjährigen Ortsvorsitzenden Sylvia Boher, die im örtlichen Parteiblatt gegen Flüchtlinge gehetzt hatte, hat sich kaum etwas geändert. Der 84 Mitglieder starke Ortsverband ist nach wie vor gespalten. Da gibt es jene, die die Äußerungen und den Politikstil Bohers scharf verurteilen. Doch erfährt die Unternehmensberaterin, die sich seit Jahren beleidigend und populistisch im CSU-Blatt als auch im Gemeinderat äußert, ebenso großen Zuspruch aus den eigenen Reihen. Letztere sind es, die sich lautstark bemerkbar machen - und die sich niemand berufen fühlt, in die Schranken zu weisen.

Die kommissarische Ortsvorsitzende Jutta Sirotek, die Bohers Äußerungen als "nicht tragbar für eine christlich soziale Partei" bezeichnete, schafft es nicht. Das zeichnet sich immer klarer ab. Es war gewiss richtig, dass der Kreisvorsitzende Thomas Huber auf die 61- Jahre alte Mediatorin setzte, um die Wogen zu glätten. Doch die langjährige Schriftführerin hat kein Standing in der Partei. Auch sie, die ankündigte, viel reden zu wollen, mauert nun. Auf die Frage, wann der nächste "Zorneding Report" erscheint, das Mitteilungsblatt in der Bohers Kolumne im Oktober erschienen war, heißt es zuerst, man werde sich "genau mit diesen Fragen auf unserer (....) Vorstandssitzung beschäftigen" und dann eine "konkrete Antwort" geben. Nach der Sitzung ist dann plötzlich von "Interna" die Rede.

Sirotek steht mächtig unter Druck, anstatt zu führen scheint es, als würde sie geführt. Die Macht hat nach wie vor Sylvia Boher, die 18 Jahre lang an der Spitze des Ortsverbands stand und weiterhin Mitglied im Bezirks- und Kreisvorstand ist. Als politische Mandatsträgerin wirkt sie weiter nach innen. Ihre treuesten Gehilfen im Gemeinderat sind Ferdinand Glasl und Tobias Hackl. Denn das Thema Asylpolitik spart Sylvia Boher seit ihrem Hetz-Artikel gewissenhaft aus, zu groß ist die Gefahr, erneut den Unmut der Parteioberen zu wecken. Asylpolitik im Namen der CSU machen in Zorneding neuerdings Glasl und Hackl - in der Regel ebenfalls ohne sachliche Argumente. Wlan-Hotspots in der Gemeinde, von denen vor allem Asylbewerber profitieren? Nicht vor dem Kindergarten und der Bücherei. Punkt. Hackl ging sogar soweit zu behaupten, dass selbst der Helferkreis Asyl Hotspots ablehne, nur um das Projekt zu stoppen. Eine fast schon verleumderische Behauptung, die er auf Nachfrage nicht belegen konnte und die der Helferkreis seither mit allen Mitteln, darunter auch einem deutlichen Leserbrief an die SZ, zu entkräften ersucht.

Ein gutes Verhältnis zum Helferkreis hat die CSU noch nie gehabt. Alle Fraktionen haben Burwick im vergangenen Jahr zum Informationsaustausch geladen, um zu erfahren, wie sich die Hilfe für die Asylbewerber aus Eritrea gestaltet, die seit etwa einem Jahr im Ort leben. Alle, außer der CSU. Die abfälligen Bemerkungen Bohers, die die Hilfsangebote für die Flüchtlinge infrage stellte und die Asylbewerber aus Eritrea pauschal als "Militärdienstflüchtlinge" bezeichnete, die man ihrer Ansicht nach nicht mit den Heimatvertriebenen Deutschen des Zweiten Weltkrieges gleichsetzen könne, haben es nicht besser gemacht. Da kann Bürgermeister Piet Mayr (CSU) noch so oft die wertvolle Arbeit der Helfer loben, wenn seine eigenen Parteifreunde im Gemeinderat die Asylbewerber offenkundig ablehnen. Mayr selbst hat im Übrigen ebenfalls gegen die Hotspots gestimmt. Dabei wäre es denkbar einfach gewesen, ein Zeichen zu setzen - auch der Anerkennung. Warum ehrt die Gemeinde beim Neujahrsempfang nicht Helferkreis-Leiterin Angelika Burwick, die sich seit einem Jahr in dieser Position über die Maßen engagiert? Wirklich nur, weil das kein langjähriges Engagement sei? Da betont der Bürgermeister lieber mit vielen Worten die Außergewöhnlichkeit der Lage der Welt, anstatt in seiner Gemeinde außergewöhnlich zu handeln. Während Markt Schwabens Bürgermeister beim Neujahrsempfang nach den Vorfällen in Köln davor warnt, alle Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen, sagt Mayr: "Ich meine, die Stimmung schwankt."

Jutta Sirotek hat den Ortsverband kommissarisch übernommen, kann sich aber als Führungskraft nicht durchsetzen. (Foto: Christian Endt)

Mayr ist ein Sonderfall in der Zornedinger CSU. Er trat erst in die Partei ein, als ein Nachfolger für Franz Pfluger gesucht wurde. Der Parsdorfer musste sich nie hocharbeiten, beweisen, kuschen oder empfehlen, Parteistrukturen sind ihm fremd. "Ich bin nicht die CSU", sagte er einmal, als Sylvia Boher in der Kritik stand und er Stellung nehmen sollte. Er vertritt die Christsozialen zwar in höchster Funktion, hat mit dem Ortsverband aber nicht viel am Hut. Dort ist Sylvia Boher die Chefin, mit der er es sich offensichtlich nicht verscherzen will. Mayr hat bis heute nicht öffentlich Stellung genommen zu deren Äußerungen, beim Neujahrsempfang brachte er noch nicht einmal den Namen "Boher" über die Lippen, sondern sprach im Zusammenhang mit der Affäre von "Details" und "Standpunkten". Er predigte das Recht auf freie Meinungsäußerung anstatt klar zu machen, wo diese in seiner Partei an ihre Grenzen stößt. Auf ein die Partei ordnendes Machtwort des Bürgermeisters wird man in Zorneding vergeblich warten.

Dabei gibt es Mitglieder und Anhänger der Zornedinger CSU, die liberal und weltoffen sind und die sich für die Politik ihrer Vertreter im Gemeinderat in Grund und Boden schämen. Doch die meisten von ihnen machen den Mund nicht auf. Nur Einzelne handeln: Helferkreis-Leiterin Angelika Burwick ist im Zuge der Causa Boher aus der Partei ausgetreten, Geschäftsführer Christian Czirnich trat zurück. Beide wollten mit einer CSU, "die sich auf den rechten Rand zubewegt und Flüchtlinge ausgrenzt", wie Czirnich es formulierte, nichts mehr zu tun haben. Auch im Gemeinderat gibt es Abweichler, allen voran Johannes Schott, stellvertretender Ortsvorsitzender der CSU. Er forderte als Erster den Rücktritt Bohers. Er sitzt seither weiterhin in jeder Sitzung an der Seite der ehemaligen Ortsvorsitzenden, geächtet als Verräter. Stille Unterstützung erfährt er hin und wieder - gerade in der Asylpolitik - von Stefanie Berndlmeier und Renate Pfluger. Berndlmeier war neben Schott die einzige Vertreterin der CSU, die die Wlan-Hotspots befürwortet hat. Sie und Pfluger unterstützen die Asylbewerber in Zorneding, indem sie laut Burwick Rabatte in ihrem Geschäft geben oder Lebensmittel spenden.

Als der Fremdenhass in vielen Teilen Deutschland im vergangenen Jahr zunahm, hat der Hersteller der Minzpastillen eine Facebook-Kampagne für mehr Toleranz gestartet. Der Werbespruch lautete: "Sind sie zu bunt, bist du zu braun."

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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