Zorneding:Alle Tiere werden Brüder

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Beethoven mal anders: Vivian Schwedler von der Theaterproduktion Nimmerland aus Konstanz verkörpert alle Rollen, vom Löwen bis zur Maus. (Foto: Christian Endt)

Heitere Musikstunde: Theater Nimmerland führt in Zornedinger Grundschule eine hinreißende Posse auf

Von Rita Baedeker, Zorneding

Dicke blaue Matten, von deren federnden Eigenschaften die Kinder reichlich Gebrauch machen, sind in der Turnhalle der Grundschule Zorneding ausgebreitet. Eine Hundertschaft bunter Winterstiefel liegt kreuz und quer auf dem Parkett verstreut. Ob die Paare wohl alle wieder zusammenfinden werden? Zwei Mädchen spielen strumpfsockig Pferd und Reiter. Eine besondere Klangkulisse erfüllt die Halle - die immer gleiche Sinfonie einer Rasselbande, die gerade ein paar Minuten lang Narrenfreiheit genießt, nachdem sie allerlei Orchesterinstrumente ausprobieren durfte. Doch dann übernimmt Beethoven. "Die neunte Sinfonie der Tiere" heißt das Stück der Theaterproduktion Nimmerland aus Konstanz, das sich binnen einer Stunde zu einer ebenso lautstarken Hatz entwickelt.

Der junge Dirigent Karavan soll für die Aufführung der neunten Sinfonie ein Orchester zusammenstellen. Auf der Suche nach Instrumentalisten gerät er an die Agentur für "schwer vermittelbare Musiker", die Hilfe zusagt. Wenig später klingelt es an der Tür. Karavan öffnet und prallt zurück. Draußen steht - ein Löwe, Paukist, der sich in öligem Macho-Wienerisch zunächst nach dem Catering erkundigt.

Dass anschließend ausgerechnet seine vier Leibgerichte auftauchen - die Fagottistin Dr. Silke Schaf mit niederländischem Zungenschlag, die Schildkröte Frieda, Klarinettistin aus der Schweiz, oder? (sie hat Beethoven noch persönlich gekannt), die plattdütsch palavernde Gans mit Oboe und der schwäbelnde Mike Maus mit der Querflöte - löst Konflikte aus. Kein Wunder, wenn einige der Tiere andere zum Fressen gern haben. "Herr Löwe", sagt der Dirigent freundlich, "das ist nicht Ihr Mittagessen, das sind Ihre Orchesterkollegen!"

Aber es kommt noch ärger: Nachdem der stumme Braunbär mit seinem Kontrabass eingetroffen ist, wirbeln drei Eichhörnchen herein - Bratsche, Cello und Geige. Das eine lacht so dreckig, dass man sich fragt, wie wohl sein Spiel klingt; das zweite hat einen türkisch-deutschen Slang à la Erkan und Stefan und das dritte - ein Weichei von Cellist - lamentiert deutsch-italienisch-theatralisch. Zum Totlachen! Fehlen noch der Wolf, ein echter Baier, der mal mit Tuba, mal mit Mundharmonika, mal mit Kamm anrückt, aber bei Beethoven leider nicht gebraucht wird; der Posaune spielende, vielmehr spuckende Adler, der französisch radebrechende Fuchs mit Trompete und eine falsche Schlange von Katze, die das Waldhorn bläst. Eine Horde musizierender Tiere also. Wie soll das gehen?, fragt sich da nicht nur der Dirigent.

Der verfügt eine Sitzordnung, bei der die Beutetiere von ihren jeweiligen Fressfeinden getrennt werden, legt sogar Fotos der Musiker auf die Notenpulte. Doch die Ordnung hat nicht lange Bestand. In seiner Verzweiflung will Karavan flüchten, da stimmt der Bär auf seinem Bass das berühmte Motiv an, die Schillersche Ode: "Freude schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium. . ." Am Ende heißt es "alle Tiere werden Brüder." Die wenigstens.

Das tierische Orchester wird von einer einzigen Schauspielerin dargestellt: Vivian Schwedler, die blitzschnell in jede der Rollen schlüpft. Sie macht das mimisch, sprachlich und stimmlich so gut, dass wenige Worte und Gesten genügen, um den "Musikern" unverwechselbaren Charakter und pralle satirische Präsenz zu geben.

Als Bühne dient eine Stellwand, die Karavan gerade im Begriff ist zu streichen, als der Anruf mit dem Jobangebot kommt. Schon die erste lustige Szene, in der jedes Mal in dem Moment, in dem Schwedler die Schellackplatte mit Beethovens Musik im Grammofon anschaltet, das Telefon klingelt, und schweigt, sobald sie die Musik abstellt, zieht die kleinen Zuschauer in Bann. Die gehen mit, lachen, staunen. Ein Vergnügen, das sie so schnell nicht vergessen werden, ebenso wenig wie Beethovens Musik und den Aufruf, friedlich zu sein, auf dem Schulhof und im Leben.

© SZ vom 26.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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