Zorneding:30 Minuten zum Nachdenken

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Matthias Gerstner, Kantor und Organist der evangelischen Christophoruskirche in Zorneding, spielt an der Orgel die Lieder Martin Luthers. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Viermal pro Winter gibt es in der Christophoruskirche eine Orgelmeditation

Von Jan Schwenkenbecher, Zorneding

Viele Kerzen stehen brennend auf dem Altar, erleuchten so den kleinen Raum. Das Licht ist aus. Ein paar der Gäste rutschen noch hin und her, setzen sich auf ihre Jacken, legen sie dann doch wieder neben sich, suchen die bequemste Position. Leises Räuspern, kein Geflüster. Dann beginnt die Orgel.

In der Winterzeit gibt es in der Zornedinger Christophoruskirche vier Orgelmeditationen. In den vergangenen Jahren hatte jeder Termin ein bestimmtes Thema, dieses Jahr, im Lutherjahr, sind alle Abende auf Martin Luther ausgerichtet. Kantor und Organist Matthias Gerstner spielt an jedem der vier Orgelabende vier verschiedene Kirchenlieder, die Luther entweder ins Deutsche übersetzt oder gar selbst geschrieben hatte.

Gerstner spielt Choralvorspiele, die etwa Johann Sebastian Bach oder Johann Gottfried Walther zu den Luther-Liedern komponierten. Meist mehr als eine Variante. Zwischen den Liedern lesen Lisa Lehmann, Kerstin Strempel und Gisela Voran ausgewählte Texte von oder über Martin Luther vor. Zum Auftakt der diesjährigen Orgelmeditationen war das etwa "Luther und das geistliche Lied", ein Text in dem erklärt wird, wie groß Luthers Einfluss auf die Kirchenmusik war. Er setzte sich dafür ein, Kirchenlieder aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen, damit die Kirchenbesucher auch verstanden, was sie da immer sangen.

Zwar klingt das Wort Meditation, wie es im Titel heißt, eigentlich nach mehr, als das Orgelspiel in der Zornedinger Kirche letztlich auszulösen vermag. Die Hörer driften vielleicht in keine anderen Sphären ab, werden nicht eins mit sich selbst, der Welt oder irgendetwas. Geht man aber nach der Wortbedeutung - im lateinischen steht meditari für nachdenken, nachsinnen - ist der Veranstaltungstitel in jedem Fall gerecht ausgesucht.

Sobald Gerstner spielt, ist es sehr laut, die Klänge schallen durch den Raum. Ob jetzt noch jemand auf seinem Platz rumrutscht, hört niemand mehr. Ist auch egal, jeder ist für sich. Die laute Musik zieht jeden in eine eigene Blase, in der er machen, beziehungsweise denken kann, was er möchte. Den Tag Revue passieren lassen - was war gut, was war schlecht - über die kommenden Wochen oder die vergangenen Monate nachdenken. Auch diejenigen, die sonst nicht jeden Sonntag die Kirchenbank drücken, können inmitten der sakralen Orgelklänge leicht abdriften. In Gedanken für ein paar Minuten aus dem Jetzt gleiten.

Das Treffen dauert nur eine halbe Stunde. Es bietet so die Gelegenheit, nach der Arbeit oder dem Abendbrot in der Kirche vorbeizuschauen und sich zu besinnen, zu entspannen. Es fordert nicht den ganzen Abend ein. Wer aber letztlich doch lieber etwas länger bleiben möchte und vielleicht mit den anderen Besuchern neu gefundene Gedanken teilen mag, für den steht am Ende der musikalischen Besinnung vor der Tür schon eine weitere Möglichkeit zur Entspannung bereit: der Orgelwein.

Luther selbst wäre wohl übrigens nicht zur Orgelmeditation nach Zorneding gekommen, er beschrieb die Töne des Instruments einst als ein "Plärren und Schreien. Die Entspannung hätte ihm allerdings sicherlich gut getan, Der Kirchenreformer dürfte allen Überlieferungen nach ja auch einen eher anstrengenden Alltag gehabt haben.

Orgelmeditationen bei Kerzenlicht in der Christophoruskirche in Zorneding finden diesen Winter noch am 16. Dezember, am 27. Januar und am 17. Februar jeweils um 19.30 Uhr statt.

© SZ vom 16.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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