Windkraft in Zorneding:Versuchsballon mit Potenzial

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Zornedings CSU liebäugelt mit einem Ratsbegehren zur Abschaffung der 10-H-Regel für Windräder in der Gemeinde

Von Wieland Bögel, Zorneding

Soll in der Gemeinde die 10-H-Regel für Windräder fallen? Über diese Frage könnten bald die Zornedinger abstimmen, jedenfalls wenn es nach der CSU geht. Einen entsprechenden Versuchsballon hat die Gemeinderatsfraktion nun gestartet - das Ergebnis ist zumindest nicht komplett negativ.

Die CSU hatte beantragt, die Gemeindeverwaltung möge eine rechtliche Prüfung veranlassen, ob folgende Frage bei einem Ratsbegehren - also einem vom Gemeinderat angestoßener Bürgerentscheid - zulässig sei: "Soll der Gemeinderat die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, innerhalb der 10-H-Regelungs-Zone Windenergieanlagen zu errichten?" Gemeint ist die vor sechs Jahren von der bayerischen Staatsregierung geschaffene Abstandsregel, wonach Windräder mindestens in einer Entfernung, die dem Zehnfachen ihrer Höhe entspricht, von der nächsten Wohnbebauung entfernt sein müssen - es sei denn, die betroffene Kommune erlaubt dies ausdrücklich. Was sich zwar bislang noch kein Gemeinderat und kein Bürgermeister getraut hat, allerdings scheint sich der Wind derzeit zu drehen: Vor einem Monat hatte die SPD-Kreistagsfraktion nämlich genau dies gefordert.

Konkret hatten die Genossen die 2013 gestoppte interkommunale Windkraftplanung wieder aufs Tapet gebracht. Diese ist eine Abstimmung der Flächennutzungspläne der Landkreiskommunen. Darin, so der damalige und nach zwei Jahren und 150 000 Euro schon recht weit fortgeschrittene Plan, sollten sogenannte Konzentrationsflächen für Windräder definiert werden. Ziel war eine gleichmäßige und möglichst anwohnerfreundliche Verteilung, denn auch hier werden Abstandsflächen definiert. Allerdings sind diese weniger streng, als sie später die Staatsregierung formulierte, 1150 Meter wäre der Mindestabstand zum nächsten Wohnhaus gewesen. Um diesen Plan nun aber wieder Realität werden zu lassen, müsste jede Landkreiskommune für sich eine Aufhebung von 10H beschließen.

Dies könnte durch einen Gemeinderatsbeschluss aber auch qua Bürgerentscheid geschehen. Bei letzterem ist der Ausgang zwar ungewiss, hätte für die Politik aber den Vorteil, dass man sich nicht den Vorwurf gefallen lassen müsste, bei einem so kontroversen Thema an den Bürgern vorbeizuentscheiden. Dies betonte auch Stefanie Berndlmeier (CSU), die den Antrag im Gemeinderat vorstellte. Darin wird einerseits auf die Kritikpunkte an der Windkraft verwiesen, etwa die Auswirkungen auf das Landschaftsbild, aber auch auf ihren Beitrag zur Energiewende."Wir haben den Antrag gestellt, weil die Bevölkerung gespalten ist bei dem Thema." Deshalb, wie ihr Fraktionskollege Ferdinand Glasl ergänzte, "sollte die Bevölkerung ein Mitspracherecht haben".

Wozu es aber kein Ratsbegehren brauche, entgegnete Helmut Obermaier (Grüne), er finde den CSU-Antrag "befremdlich" - und außerdem sei die Frage falsch gestellt. Der Gemeinderat müsse bei der Außerkraftsetzung von 10H nämlich keine "Voraussetzungen schaffen", sondern nur seine Rechte wahrnehmen, und das könne das Gremium auch ganz gut ohne Ratsbegehren tun. Wenn dann einige Bürger etwas dagegen hätten, könnten sie ja ihrerseits ein Bürgerbegehren initiieren. In die gleiche Richtung ging der Einwand von Wilhelm Ficker (FW): "Der Gemeinderat ist befugt ich stelle mich energisch gegen dieses Ratsbegehren." Auch wie er im Falle des Falles abstimmen werde wisse er schon: "Windräder sind jetzt keine schönen Bauwerke, aber das sind Atom- und Kohlekraftwerke auch nicht" und im Sinne der Energiewende könne man eben nicht auf Windkraft verzichten.

Werner Hintze (SPD) kritisierte, die CSU wolle mit dem Ratsbegehren "Verantwortung abschieben, wie es bei dem Thema schon die Staatsregierung getan hat". Außerdem wundere er sich über den konkreten Antrag, der ja nicht einmal ein Ratsbegehren fordere, sondern nur etwas, das vor einem solchen Plebiszit ohnehin vom Landratsamt erledigt werde, "prüfen muss man erst, wenn ein Antrag auf ein Ratsbegehren vorliegt". Dem er übrigens zustimmen werde, sollte die CSU einen solchen einbringen.

Abgestimmt wurde am Ende dann nicht, die CSU zog den Prüfantrag zurück. Dass sich der Gemeinderat indes bald wieder mit dem Thema 10-H-Ratsbegehren beschäftigen könnte, ist nach Meinung von Bürgermeister Piet Mayr (CSU) zumindest wahrscheinlich. Er gehe davon aus, so Mayr auf Nachfrage, "dass der Antrag noch im Herbst kommt". Fände er eine Mehrheit, würde die Abstimmung wahrscheinlich noch vor der Kommunalwahl am 29. März stattfinden, ein gemeinsamer Urnengang wird laut Mayr von den Aufsichtsbehörden wegen des zusätzlichen Aufwandes eher kritisch gesehen.

Spannend dürfte der Ausgang einer solchen Abstimmung indes auf jeden Fall werden, in Zorneding könnte es dabei zu einer interessanten Pro-Windkraft-Allianz kommen. Neben den Befürwortern aus dem Lager der SPD, der Grünen und zumindest Teilen der Freien Wähler, könnten auch einige CSU-Stammwähler dabei sein: Jene Landwirte, denen die großen Flächen im Zornedinger Süden gehören und denen ein Ende von 10H eine lukrative Einnahmequelle ermöglichen würde. Was übrigens die örtliche CSU, bevor ihre Chefs in München den Kampf gegen die Windmühlen ausriefen, auch schon einmal so gesehen hatte: Im Jahr 2012 wetterte die damalige Ortsvorsitzende Sylvia Boher in der CSU-Gemeindezeitung mal wieder gegen die Preußen - die ins schöne Bayern zögen und den Einheimischen die Windkraft madig machen.

© SZ vom 01.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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