Weitere Aufführungen am Wochenende:Kulturpessimistischer Leckerbissen

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Wer gehört zu den Gewinnern, wer zu den Verlierern? Das junge Ensemble des Theatervereins steigt mit "Sale" tief in ein anspruchsvolles Thema ein. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das Markt Schwabener Ensemble "Futura" entfesselt mit "Sale" die eiskalten Seiten des alltäglichen Materialismus

Von Ulrich Pfaffenberger, Markt Schwaben

"Eigentum verpflichtet." So gern dieser Satz aus dem Grundgesetz herangezogen wird, um andere zu moralischem Handeln aufzufordern, so selten verleitet er zur Reflexion über das eigene Handeln. Allein schon die Frage "Wozu?" weist direkt in den Abgrund der menschlichen Seele. Zumindest aus Sicht des Autors Georg Heinzen, der in seiner schwarzen Komödie "Sale" die überschuldete Bundesrepublik an gierige Investoren verschachert. Die übernehmen nicht nur Land und Leute, sondern stellen, einzig am "Return on Invest" interessiert, die Bürger meistbietend zum Verkauf.

Wo die Kriterien für das materielle Äquivalent eines menschlichen Daseins liegen, das arbeitet Futura, die Nachwuchsgruppe des Theatervereins Markt Schwaben, mit einer dichten, teils atemlosen Inszenierung, geschickt mit musikalischen Akzente verstärkt, eindringlich heraus. Dazu begeben sich die Schauspieler auf eine Gratwanderung zwischen Irritation und Resignation, zwischen Euphorie und Zuversicht, zwischen übersteigertem Selbstwertgefühl und phlegmatischer Selbstaufgabe. Was dabei vor allem unter die Haut geht, sind die umwälzenden Kräfte, die vermeintlich Alltägliches freisetzt, wenn die eingeübten Regeln außer Kraft treten - und durch ein schlichtes "Wer hat, der hat" ersetzt werden.

Wenn es zum Beispiel in der "Schrottfamilie" darum geht, aus der einen prekären Lage in die andere zu wechseln, dann fühlt sich das zwar unangenehm an. Aber ob man nun die Formulare vom Job-Center ausfüllt oder vom Investor - was solls? Wolfgang Adolf und Isabella Weber als Ehepaar, das längst das eigene Leben aus der Hand gegeben hat, sowie Felicitas Sauter als motzig-pubertäre Tochter holen mit glaubwürdigem Spiel das Publikum herein in ihr weitgehend ambitionsloses Leben voller Frust. Ohne es zu ahnen, werden sie zum Schnäppchen für ein affektiertes Yuppie-Paar: Als Geschenk an die Püppchen-Gattin, die sich eigentlich einen Hund gewünscht hatte, sind sie zum Pool-Reinigen eingeplant. Raffael Scherer und Sabrina McAboy schicken das naiv-arrogante Pärchen mit lässigem Gestus aufs Siegertreppchen des Materialismus, das zuvor Daniel Brandl als eloquent-kaltschnäuziger Menschenmaterial-Makler aufgestellt hat. Wie sie dabei Distanz zum Mitmenschen und Unbefangenheit gegenüber Werten zum Ausdruck bringen, ist einen eigenen Applaus wert.

In ihrer Verlorenheit und Verzweiflung hinterlassen die "Bürgerlichen" Franzi Zimmerhackl und Tim Zeiff einen beklemmend glaubwürdigen Eindruck. Wie sie das Zerbrechen von Hoffnungen spürbar machen, trägt wesentlich dazu bei, dass bei der Diskussionsrunde nach der Aufführung Stimmen laut werden, man hätte sich einen glücklicheren Ausgang gewünscht. Gerade weil diese beiden Harmlosen sich schicksalshaft mit "RP" verweben, einem jungen Mann aus der Samenbanks-Retorte, glänzend gespielt von Maximilian Wagner, bleibt die Story bitter und entsagt allem "Es wird schon wieder." Nichts wird wieder.

Wie es sich für ein nachhaltig wirkendes Stück gehört, lässt "Sale" Fragen offen. Etwa: Wie wahrscheinlich ist das Szenario? Da hilft es vielleicht, in wirklich arme Länder zu schauen, in denen "Humankapital" in Centbeträgen veranschlagt wird, während die Demokratie bankrott ist. Oder: Arbeitet der Autor mit Klischees? Wie die Gier nach Besitz reifen auch die Vorurteile nicht nur in seinen Zeilen, sondern auch in den Gedanken des Publikums. Das wahrhaft "schwarze" an der Komödie sind die opportunistischen Wendungen, sobald sich der Status vom Eigentum zum Eigentümer wandelt. Oder wenn entfernt wird, was stört: "Er gehört ja niemandem, er ist nichts wert." Und: Peng!

Ein Leckerbissen für Kulturpessimisten und Ethnologen - und für ein schauderndes Publikum, das dem tiefen Einstieg des jungen Ensembles in ein anspruchsvolles Thema und der klugen Regie von Marga Kappl mit anerkennendem Beifall begegnet. Einmal mehr ein Beweis dafür, dass die Nachwuchsarbeit in Markt Schwaben respektable Bühnenreife erzeugt.

Weitere Aufführungen von "Sale" am 4., 9. und 12. Mai, jeweils um 20 Uhr in der Theaterhalle am Burgerfeld in Markt Schwaben.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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