Wasserburg:Erhellen, nicht belehren

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DJ Bassinsky begleitet die Ausstellungseröffnung mit einer Performance im Schaufenster der Galerie. (Foto: Ulrich Pfaffenberger)

"Lichtkunst im Ganserhaus" zeigt die kommunikativ-anregende Kraft aller Kunst in Wasserburg

Von Ulrich Pfaffenberger, Wasserburg

Es ist schon ein paar zehntausend Jahre her. Da saßen sie abends am Höhlenfeuer und sinnierten vor sich hin. Es war ihnen gelungen, nach einem Blitzeinschlag brennende Zweige einzusammeln. Nun hatten sie es warm und hell. War es Absicht oder Zufall, als einer seine Hand zwischen Licht und Höhlenwand bewegte und sah, dass der Schatten dem Kopf einer Ente glich? Er machte einige Bewegungen, die anderen staunten, die anderen lachten - die Lichtkunst, die Lichtspiele waren geboren. Zu Helligkeit und Wärme gesellten sich der Spaß, die Kommunikation. Daran freuen wir uns noch heute.

Es ist daher mehr als legitim, wenn der "Arbeitskreis 68" AK 68 das jährliche Festival "Wasserburg leuchtet" zum Anlass für eine Ausstellung "Lichtkunst im Ganserhaus" nimmt, bei der es vordergründig ums Staunen, Lachen und Kommunizieren geht. Das historische Gebäude ist dafür wie geschaffen, denn seine Kammern und Winkel, seine Treppen und Keller geben jedem Exponat seinen eigenen Raum, den es mit Licht erfüllt. Gleichzeitig ergeben sich auf den Wegen durch das Haus, unter dessen Dach sich Vielfältiges in Eintracht versammelt, unendlich viele Gelegenheiten zur Interaktion der Besucher untereinander. Sich bewegende Schatten, Reflexionen, ständige Wechsel der eigenen Perspektive: Das ist eine sehr lebendige, menschenfreundliche Ausstellung.

Nicht nur als ästhetische Ergänzung zum Stadtfest wolle man "Lichtkunst im Ganserhaus" sehen, sondern auch als Angebot "künstlerischer Neubewertung der Farb- und Klangwelten, die als Lichteffekt- und Lasershows weltweit inszeniert werden", sagte Kurator Stefan Scherer bei der Vernissage. Ihren Beitrag dazu leisten Lichtkunst, Lichtraumzeichnungen und lichtkinetische Objekte von Florian Lechner und Hans Schork. Gabriele Granzer und Fritz Armbruster sind mit Lichtskulpturen vertreten. Thomas Rock, Adelheit Schmidinger und Scherer selbst stellen Arbeiten mit Leuchtobjekten, Fotografie und Neonröhrenkunst vor. Dazu kommt ein Environment des Wasserburger Designers Gerhard Grimmeisen, der Objekte aus seiner LED-Leuchtenkollektion im Raum schweben lässt.

Das liest sich viel abstrakter, als es in der Realität auf die Betrachter wirkt, deren Geist und Sinne durch den künstlerischen Umgang mit Licht höchst individuell beeinflusst werden. Es wäre daher auch Unfug, einzelne Exponate über andere zu setzen oder ihnen einen Rang zuzuweisen. Diese Ausstellung ist nicht die Summe oder das Produkt ihrer Einzelteile, sie bezieht ihre Kraft aus dem, was wechselnde Lichtverhältnisse mit uns anrichten. Ganz zu Recht zitiert Scherer daher in seiner Rede die Tänzerin Loie Fuller bei einem Auftritt in den Pariser Follies Bergères 1892: "Je sculpture de la lumière" überschrieb sie programmatisch ihr Schaffen, "ich forme Licht". Der Kurator leitet daraus die Forderung ab nach einer abstrakten Kunst, die weniger als unmittelbarer Ausdruck gesellschaftlicher Realität entsteht, sondern "als Behauptung einer ästhetischen Gegenwelt".

Anlass für ihn, einen hellen Blitz zu schleudern gegen eine, wie er sagt, "immer wieder erhobene Forderung der Kulturjournaille, Künstler müssten ob ihrer vermeintlich besonderen Fähigkeiten etwas Außerordentliches zur Verbesserung oder Heilung der gesellschaftlichen Realität beitragen". Damit hat er insofern Recht, als nicht jedes Objekt künstlerischen Schaffens der Erziehung des Menschengeschlechts zu dienen hat. Auch sind - vermeintlich spinnerte - Künstler nicht die Hofnarren, die aussprechen müssen, wovor sich andere scheuen. Jene, die den Wirkungskreis von Kunst so eng ziehen, irren gewaltig. Denn die Ausstellung in Wasserburg zeigt: Kunstobjekte, die für Staunen, Spaß und Kommunikation sorgen, machen die Welt besser. Seit Zehntausenden von Jahren.

Die Lichtkunst-Ausstellung im Ganserhaus in Wasserburg dauert bis 9. Oktober, geöffnet Donnerstag bis Sonntag von 14 bis 19 Uhr.

© SZ vom 20.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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