Wasserburg:Beistand in unsicheren Zeiten

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"Dem Himmel so nah": Eine Sonderausstellung im Museum Wasserburg zeigt das Leben im 18. und 19. Jahrhundert zwischen Spiritualität, Magie, Aberglaube und dunkler Mystik

Von Georg Reinthaler, Wasserburg

Der prachtvolle Rosenkranz als gesellschaftliches Statussymbol und verschiedene Sphären tiefer Frömmigkeit als zentraler Lebensinhalt: Es ist zweifellos ein weiter, aber umso beeindruckenderer Bogen, welchen die aktuelle Sonderausstellung im Wasserburger Heimatmuseum spannt. Sie heißt "Dem Himmel so nah. Vom Leben in alter Zeit" und bietet hochinteressante Perspektiven auf einen oftmals in Vergessenheit geratenen Teil der oberbayerischen Kulturgeschichte.

"Und genau diese ganz eigene Geschichte möchten wir bewusst erzählen", sagt Museumsleiterin Sonja Fehler. Die gezeigten Einzelobjekte, sonst verborgen im Depot oder vereinzelt an anderer Stelle im Haus zu sehen, fügten sich nun unter dem neuen Motto zu einem erstmals präsentierten Gesamtbild zusammen. So könne man dem Besucher einen ganz besonderen Einblick in die von harter Arbeit und insbesondere von Unsicherheit, Tod sowie Unglücken geprägte Epoche ermöglichen.

Schmuck und Talisman zugleich waren die reich verzierten Rosenkränze. (Foto: Georg Reinthaler)

Und da liegen sie dann gleich am Eingang vor einem und lösen unweigerlich ein bewunderndes Staunen aus: Rosenkränze aus dem 18. Jahrhundert, filigrane Kunstwerke, die sich sowohl in die Kategorien Schmuck, Statussymbol als auch Talisman einreihen lassen. Doch nicht nur die vermögende Bürgerschaft unterlag zur damaligen Zeit gesellschaftlichen Zwängen und suchte sich angesichts der harten Lebensumstände Beistand von vielen Seiten. Auch die einfachen Familien standen unter ständiger Beobachtung, etwa wenn eine Frau - als Zeichen einer vermeintlich unerfüllten Ehe - keine Kinder gebären konnte.

Noch ungeborene Kinder, die mitsamt ihrer schwangeren Mutter an einer der vielen Krankheiten durch fehlende Hygienekenntnisse zu sterben drohten, erhielten gar Not-Taufen im Mutterleib, um dennoch in den Himmel und ins Paradies zu gelangen. Anhand von historischen Exponaten und Gemälden aus dem 18. und 19. Jahrhundert zeichnet die Sonderausstellung sehr anschaulich den Weg von der Geburt bis zum Tod mit all seinen Hürden nach. Genrebilder, Bücher, Keramiken, Wachsskulpturen, Spielzeug, Schmuck, Kleidungsstücke und interaktive Elemente runden die gelungene Schau ab.

Auch Kinder führte man früh an das Himmelreich heran, im Ernstfall durch eine Nottaufe. (Foto: Georg Reinthaler)

Wer käme heute noch auf die Idee, Wallfahrten in die Region rund um Wasserburg und auch Ebersberg zu unternehmen, um durch göttlichen Beistand seine Fruchtbarkeit zu steigern? "Damals waren Heirat und Gründung einer Familie der Hauptansporn für junge Menschen, dafür nahm man schon in jungen Jahren für uns unvorstellbare Arbeitsbelastungen auf sich", erklärt Sonja Fehler. Durch das Studium historischer Schriften wisse man heute, dass die gravierenden gesundheitlichen Probleme der Menschen sogar noch mehr aus der mangelhaften Unterbringung denn aus harter Arbeit resultierten.

Doch gerade zu Hause, in diesen schlichten Heimstätten, ging das Volk der anerzogenen Frömmigkeit nach. Votivgaben in Form von Gemälden oder Gegenständen, die vor Schaden und Not schützen sollten, Kreuze, klassische Schutzengel-Bilder, Liebesgaben zur Hochzeit, Andachtsbilder zum Innehalten oder Wetterkerzen aus Altötting durften ebenso wenig im Haus fehlen wie Andenken an besondere Ereignisse und Glücksbringer. Oft genug verschwammen dabei die Grenzen zwischen Spiritualität, Magie, Aberglaube und nicht selten auch dunkler Mystik. Besonders anschaulich wird das beispielsweise bei der ausgestellten Zusammenstellung einer sogenannten geistigen Hausapotheke, die - wenig überraschend - längst nicht nur aus traditionellen Arzneimitteln bestand.

Gerade die vielen heimischen Exponate, welche einst in den örtlichen Kirchen und Kapellen standen, verleihen der Sonderausstellung einen besonderen Reiz. Gleiches gilt für die sehenswerten und liebevoll aufbereiteten Leihgaben des in der Region bekannten Wasserburger Volkskunst-Restaurators Armin Göttler.

Die Ausstellung "Dem Himmel so nah. Vom Leben in alter Zeit" ist noch bis einschließlich 25. Juni im Museum der Stadt Wasserburg (Herrengasse 15) zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 13 bis 16 Uhr, ab Mai von 13 bis 17 Uhr.

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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