Wanderzirkus in Aßling:Manege frei - aber nicht überall

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An diesem Wochenende gastiert ein Wanderzirkus in Aßling. Doch in vielen Gemeinden sind die Artisten unerwünscht.

Rita Baedeker

Die Haare zerzaust und im Räuberzivil sieht Carlos aus wie ein x-beliebiger Bub. Wenn er aber lacht, sein Gegenüber mit schief gelegtem Kopf fixiert und über den Rasen läuft, dann merkt man an seinen geübten Bewegungen sofort, dass er an Auftritte vor Publikum gewöhnt ist.

Als Sohn der Artistenfamilie Schmidt spielt er im Zirkus Feraro den Clown. In einem viel zu weiten Schotten-Sakko, mit roter Knollennase, Baseballkappe und weißer Schminke wärmt er zu Beginn jeder Vorstellung das Publikum mit seinen Späßen auf. Wenn der Zirkus kommt, hält es die Menschen nicht länger in den Häusern. Die bunten Zeltbahnen, die Wagen und Zugmaschinen wecken bei Alt und Jung romantische Träume. Herrlich die Vorstellung, durch die Welt zu ziehen, zum fahrenden Volk zu gehören.

Der Alltag sieht ein wenig anders aus, auch bei den Schmidts. Denn nicht überall ist ein Wanderzirkus willkommen. "Hier in Aßling wurden wir von der Gemeinde und vom Landwirt, dem die Wiese gehört, sehr nett aufgenommen", erzählt Helene Schmidt. In vielen anderen Gemeinden aber will man uns nicht haben." In Zorneding und Ebersberg etwa hat der Zirkus keine Erlaubnis für ein Gastspiel bekommen.

"Dort fürchtet man vielleicht, dass wir unseren Mist liegen lassen oder die Platzmiete nicht bezahlen", sagt Schmidt. "Es gibt natürlich auch bei den Zirkus-Unternehmen schwarze Schafe." Die Standmiete ist ein ganz schöner Brocken. 100 bis 150 Euro für einen Tag sind da keine Seltenheit, die muss man erst mal erwirtschaften. "Zirkus-Aufführungen stehen jedoch heute in der Unterhaltungsbranche an letzter Stelle", erklärt Helene Schmidt. "Ausverkauft sind wir selten."

Ponys mit Zahnproblemen

Ein Problem haben sie und ihr Mann, Hermann Schmidt, auch mit den zahlreichen Zirkus-Projekten, die in den Ferien veranstaltet werden. "Die Kinder lernen ein bisschen Jonglieren, aber sie erfahren nicht, wie es hinter den Kulissen aussieht." Ein Zirkus braucht Sprit, Strom und Wasser, Geld kosten auch Versicherungen, Reklame und diverse Genehmigungen, vom Futter für die Tiere und den Lebenshaltungskosten gar nicht zu reden. Da hat eines der Ponys Zahnprobleme und kriegt ein Spezialmüsli. Die Schlangen, die ihren großen Auftritt in einer Tanznummer haben, brauchen Lebendfutter. Und auch der Tierarzt will bezahlt werden.

Noch zwei Tage sind es bis zur ersten Aufführung. Wie eine Burg haben sich die Wohnwagen um das rotweiße Zelt gruppiert. Vor den geöffneten Türen trocknet Wäsche, ein Hahn kräht, ihm antwortet ein vielstimmiges Wiehern. In der Manege grasen gescheckte Ponys. Unsere "ökologischen Rasenmäher", sagt Helene Schmidt und lacht. "Die fressen ununterbrochen."

Neben den Pferden besitzen die Schmidts Lamas - Diego zum Beispiel kann aus dem Stand über eine Stange springen -, zur Menagerie gehören Tauben, Ziegen und ein Hängebauchschwein. Außerdem zwei Berber-Affen, die in der bei Kindern beliebten Tierschau gezeigt werden. So wie die Gans und die Hühner, die das Hobby von Helene Schmidts verstorbener Schwiegermutter gewesen sind. "Eine der Hennen brütet gerade."

"Wir wollen unsere Zuschauer glücklich machen"

Die Wände des geräumigen Wohnwagens, der mit Sitzecke und Einbauküche sogar Komfort bietet, sind tapeziert mit Familienfotos, der Herrgottswinkel ist reich geschmückt. "Wir sind gläubige Menschen und überzeugt, dass wir beschützt werden", sagt die Artistin." Auf einem Teller arrangierte Steine, Plastikrosen und Teelichter in Rosa erinnern an die verstorbene Schwiegermutter, einst Prinzipalin des Unternehmens. "Sie hat diese Farbe geliebt", erklärt Helene Schmidt.

Seinen Namen hat der Zirkus vom Schwiegervater, der Halbitaliener war und sich den Artistennamen Harry Feraro gegeben hat. Schwiegertochter Helene blättert im Familienalbum. Darin kleben vergilbte Zeitungsausschnitte und Fotos. Etliche der Bilder zeigen Feraro mit seiner klassischen und gefährlichen Nummer, der "Todeskugel". Die Erinnerung an die Vorfahren wird liebevoll wach gehalten. Und auch um den eigenen Nachwuchs ist den Schmidts nicht bange. Das Paar hat zehn Kinder im Alter von drei bis 29 Jahren. Alle machen mit beim Zirkus. Sogar Angelina, die kleinste, tritt schon auf. "Aber nur, wenn sie Lust hat."

Wenn es dann heißt "Hereinspaziert", wenn die Scheinwerfer leuchten und Carlos und sein Bruder die Manege erobern, sind alle Mühen vergessen. "Wir wollen unsere Zuschauer glücklich machen", sagt Hermann Schmidt. "Denn nur im Zirkus werden aus Erwachsenen wieder Kinder."

Der Zirkus Feraro gastiert in Aßling, nahe der Dampfbahnanlage, am Samstag, Sonntag und Montag, 28. bis 30. August, jeweils um 15 Uhr. Karten an der Zirkuskasse von 10 Uhr an, Tierschau täglich von 10 bis 14 Uhr. Telefon 0160/65 00 175. Danach zieht der Zirkus weiter zum Reitsberger Hof in Vaterstetten.

© SZ vom 28.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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