Mit dem Hund in den Kindergarten:Der tut nix

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Charly will nur spielen: Der Golden Retriever verdient sich mit seinem gutmütigen Verhalten viele Leckerchen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Golden Retriever Charly und sein Frauchen, die Ebersberger Tierärztin Dorothea Lämmle, bringen Kindergartenkindern das Wesen von Hunden näher, um Missverständnisse zwischen Mensch und Tier zu vermeiden

Von Matthias Reinelt, Ebersberg

"Igitt, igitt, das kitzelt!", sind sich die Buben und Mädchen einig, die den Ebersberger Waldkindergarten besuchen. Dabei experimentieren sie nicht etwa mit glitschigen Nacktschnecken. Es ist Golden Retriever Charly, der den Kindern mit seiner feuchten Zunge Leckerlis von der flachen Hand schleckt - und so etwas wie wohligen Ekel bei den Kleinen verursacht. Doch zum Vergnügen war Charly gar nicht zu Besuch.

Unter anderem wie man einem Hund korrekt Leckerlis gibt, nämlich von der flachen Hand, und dass Lob für die Vierbeiner sehr wichtig ist, lernten die Kinder in den vergangenen acht Wochen von Dorothea Lämmle. Die Ebersberger Tierärztin kam zweimal wöchentlich für drei Stunden in den Kindergarten am Waldsportpark mit dem Ziel, den Kindern Freude und Selbstsicherheit im Umgang mit Hunden beizubringen. Außerdem lernten sie bestimmte Regeln, um Missverständnissen und Gefahrensituationen vorzubeugen.

Gerade für Kinder eines Waldkindergartens sei das Projekt mit dem Namen "Hunde und Kinder - ein harmonisches und angstfreies Miteinander" besonders sinnvoll und wichtig, da sie bei ihren täglichen Ausflügen in den Wald jederzeit einem Hund begegnen könnten, betont die Tierärztin. In den ersten vier Einheiten wurden den Kindern Grundregeln beigebracht, diese Theorie mit vielen spielerischen Elementen, gemeinsamem Singen und Basteln verpackt. Als Frau mit Hut, die immer alles falsch macht, zeigte Lämmle den Kindern zuerst, wie man es nicht macht. Mit Hilfe eines Stoffhundes erklärte sie dann, wie man sich richtig zu verhalten habe. Trockenübungen sozusagen, bevor die neugierigen Kinder ihr Wissen dann in den verbliebenen vier Wochen mit Charly in die Tat umsetzen durften.

Läuft ein Kind vor Angst weg, ist das für den Hund eine Aufforderung zum Spielen

Den Golden Retriever, der im Sommer drei Jahre alt wird, bekam sie schon mit acht Wochen und begann sofort damit, ihn zu trainieren. Das sieht man, er zeigt sich unglaublich diszipliniert. "Immer wieder üben und regelmäßiges Wiederholen sei der Schlüssel, "damit es dann auch im Ernstfall klappt", erklärt die promovierte Tiermedizinerin. Es würde oft zu Missverständnissen kommen, ganz einfach weil die Instinkte von Hunden denen von Kindern entgegenstehen.

Die Angstreaktion von Kindern, wegzulaufen und zu schreien, sei für Hunde eine Aufforderung zum Spielen. Kinder zeigen außerdem, wie gerne sie jemanden haben, also umarmen sie einen Hund genauso wie sie es bei einem Familienmitglied machen würden. Das fasst der Hund aber als Bedrohung auf, so kann es zu einem Biss kommen.

Das Projekt baue auf einem Beißpräventionsprogramm aus England auf, wie Lämmle erklärt. Allerdings vermeide sie das Wort Beißprävention, der Hund soll nicht auf ein Beißobjekt reduziert werden. Den Kindern soll vorrangig klargemacht werden , "was für ein toller Spielkamerad ein Hund ist", aber eben nur, wenn man einige Grundregeln beachtet, betont die Tierärztin.

Plötzlich stellen sich alle Kinder wie versteinert hin, kerzengerade, den Blick in das Blätterdach der Bäume gerichtet, niemand rührt sich. So muss sie aussehen, die "Statue", zeigt sich Lämmle zufrieden. Diese Methode, um sich selbst für einen Hund uninteressant zu machen, wenn man Angst bekommt oder gerade nicht mit ihm spielen möchte, beherrschen die Kinder schon hervorragend.

Die Verhaltenskunde sei ihr Steckenpferd, erzählt Lämmle. 2001 habe sie eine Fortbildung gemacht, die sie dazu berechtige, den sogenannten Hundeführerschein anzubieten. Ein Programm, bei dem die Teilnehmer nützliches Wissen zum Hundeverhalten und zur Gefahrenvermeidung erlernen. Die Waldkindergartenkinder wissen auf jeden Fall, was zu tun ist, auch wenn entgegenkommende Gassigeher keinen Hunderführerschein haben.

© SZ vom 10.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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