Wahlkampagne in Aßling:Ein Brief nur für die Männer

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Rathauschef Werner Lampl hat Wahlwerbung an die Aßlinger verschickt. Wohlgemerkt: alle Aßlinger. Mit Ausnahme verheirateter Frauen. Die warnen nun vor einem Rückfall ins 19. Jahrhundert.

Martin Mühlfenzl

Karen Schiöberg-Feys Mann hat einen Brief bekommen. Auch ihr Sohn wurde persönlich angeschrieben, ebenso dessen Freunde - freilich all jene, die bereits wählen dürfen -, die Nachbarn und Kollegen. Die SPD-Gemeinderätin selbst aber hat keine Post bekommen. Weil sie nicht geschieden, ledig oder verwitwet ist. "Gott sei Dank", sagt die Aßlingerin mit einem Schmunzeln. "Aber ein wenig habe ich mich schon geärgert."

Öffentliche Aufforderung - auch für Frauen: Werbung zur Bundestagswahl 2009. (Foto: dpa)

Schiöberg-Fey ärgert sich über ihren Bürgermeister, der derzeit Werbung in eigener Sache macht, um am 26. September im direkten Duell mit Benedikt Mayer, gemeinsamer Kandidat von Sozialdemokraten und Grünen, im Amt bestätigt zu werden. Auf dem Postweg hat Rathauschef Werner Lampl einen Brief und eine Wahlbroschüre an alle Aßlinger versendet. Wohlgemerkt: an alle Aßlinger.

Jeder wahlberechtigte männliche Bürger fand vergangene Woche die Zuschrift in seinem Briefkasten. Die Frauen aber wurden nicht persönlich angeschrieben. "Eben nur die Frauen, die verwitwet, ledig oder geschieden sind", bemängelt Schiöberg-Fey. Mit einem offenen Brief sind Schiöberg-Fey, Waltraud Gruber, Angy Heilmann, Marianne Künzel und Angela Zimmermann als Gruppe amtierender und ehemaliger Gemeinderätinnen nun an die Aßlinger Frauen heran getreten.

Sie warnen vor einem gedanklichen Rückfall ins 19. Jahrhundert. "Das ist natürlich kein Drama, lässt allerdings befürchten, unser Dorf liefe Gefahr, weiterhin von einem Mann repräsentiert zu werden, dessen Denkweise aus dem vorvorigen Jahrhundert stammt", erläutern die Frauen in ihrer gemeinsamen Erklärung. Und weiter: "Denn dieser Bürgermeister geht offensichtlich davon aus, dass die Ehefrauen von ihren Männern schon gesagt bekommen, was sie zu wählen haben."

Starker Tobak also für einen Rathauschef, dem selbst Schiöberg-Fey keine Frauenfeindlichkeit unterstellen will: "Herr Lampl ist ja eigentlich ein netter Zeitgenosse. Aber manchmal hat er es mit der Kommunikation nicht so."

Der Bürgermeister indes nimmt die Kritik gelassen zur Kenntnis und spricht von einem "wenig erfreulichen Fehler". Er habe schließlich die Agentur, die auch seinen Wahlkampf mit organisiert und betreut, mit dem Versenden des Briefes beauftragt. "Die dafür erforderlichen Daten wurden ganz legal beim Einwohnermeldeamt erworben. Dabei muss dann ein Fehler passiert sein", erläutert Lampl. "Natürlich war es nicht meine Absicht, die Frauen außen vor zu lassen." Zudem habe er sich in dem beiliegenden Brief an alle Bürgerinnen und Bürger wenden wollen. "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Aßlinger", ist darin zu lesen.

Diese haben nun Ende September die Wahl. Vor dem Urnengang müssen sich die Frauen aber keine Sorgen machen: Die nötigen Wahlunterlagen werden ihnen definitiv persönlich vom Einwohnermeldeamt zugesandt.

© SZ vom 30.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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