Wahlanalyse:Voll im Trend

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(Foto: Ilona Burgarth)

Bei der Europawahl haben sich im Landkreis Entwicklungen fortgesetzt, die schon seit der Bundestagswahl 2017 zu beobachten waren. Eine Partei profitiert besonders

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Für einige dramatisch, für andere erfreulich, aber insgesamt nicht überraschend, so könnte man das Ergebnis der Europawahl im Landkreis zusammenfassen. Das Drama trifft vor allem die SPD, sie schafft es, ihr Ergebnis im Vergleich zur Landtagswahl erneut zu unterbieten. Genau umgekehrt ist die Lage bei den Grünen, die im Vergleich zum Herbst 2018 noch einmal deutlich zulegen können, während die CSU nahezu das gleiche Ergebnis einfährt, wie bei der Landtagswahl. Beide Urnengänge sind vergleichbar, als dabei Landkreisthemen keine Rolle spielen - genau wie bei der Bundestagswahl 2017. Bereits dort haben sich viele Trends angedeutet, die sich nun bestätigt haben.

Der erste betrifft die CSU, deren Anspruch auf "50 plus X" spätestens im Herbst 2017 nicht mehr zu realisieren war. Zum Vergleich: Bei den im Abstand einer Woche im September 2013 stattfindenden Bundes- und Landtagswahlen kamen die Christsozialen noch in 15 beziehungsweise elf von 21 Landkreiskommunen auf mehr als die Hälfte der Stimmen. 2017 gab es das lediglich in einer einzigen Gemeinde: Frauenneuharting mit 50,05 Prozent. Ein weiteres Jahr später kamen für die CSU in keiner Kommune mehr als 50 Prozent der Stimmen zusammen, bestes Ergebnis war wieder Frauenneuharting diesmal mit 49,6 Prozent. Bei der Europawahl reicht es immerhin in zwei Gemeinden - Emmering mit 53 und Frauenneuharting mit 55,6 Prozent - zur absoluten Mehrheit. In den großen Landkreiskommunen indes kommen die Christsozialen lediglich in Vaterstetten mit 40,9 über die 40-Prozent-Marke. Trotzdem scheint sich der Abwärtstrend abzufangen, wenn nicht gar umzukehren: Bei der Landtagswahl lag die CSU landkreisweit noch bei 35,9 Prozent, nun sind es immerhin schon wieder 39 Prozent.

Zahlen, von denen man bei der SPD selbst in besten Zeiten weit entfernt war. Aber immerhin kamen die Genossen 2013 noch auf 18,2 Prozent bei der Bundes- und 23,9 bei der Landtagswahl. 2017 wollten dann nur noch 12,8 Prozent der Ebersberger Wähler die SPD im Bundestag sehen, bei der Landtagswahl gab es sogar nur noch knapp neun Prozent - am Sonntag waren es dann 8,7.

Dieser Absturz auf weniger als die Hälfte früherer Wahlergebnisse lässt sich bei der SPD vor allem auf die Schwäche in ihren einstigen Hochburgen zurückführen. In den ländlichen Gemeinden, besonders im Landkreissüden, gab es schon immer meist nur einstellige Ergebnisse für die Genossen. Dafür konnte man in den großen Zuzugsgemeinden und den Städten punkten: in Orten mit S-Bahn-Anschluss kam die SPD verlässlich auf um die 20 Prozent. Oder auch mehr, so lag die Partei 2013 bei der Landtagswahl in Poing sogar knapp unter der 30-Prozent-Marke, in Ebersberg, Markt Schwaben, Kirchseeon und Zorneding gab es immerhin mehr als ein Viertel der Stimmen für die SPD.

Bereits ein halbes Jahr später begannen diese Mehrheiten zu bröckeln: Bei der Europawahl 2014 lag die SPD in gerade einmal drei Gemeinden noch über 20 Prozent, bei der Bundestagswahl 2017 war es keine einzige mehr. Im vergangenen Herbst reichte es dann in gerade einmal vier Kommunen noch für ein zweistelliges Ergebnis - am Sonntag war es nur noch eine: in Markt Schwaben gab es 10,5 Prozent. Knapp darunter liegen die ehemals roten Hochburgen Ebersberg und Poing mit 9,9 Prozent. Zum Vergleich: Vor vier Jahren lag die SPD in nur vier Gemeinden unter zehn Prozent und in vier - Poing, Markt Schwaben, Forstinning und Zorneding - über 20, knapp darunter mit 19,9 und 19,6 Prozent waren es in Ebersberg und Kirchseeon.

Profitieren können vor allem die Grünen. Sie sind dort besonders stark, wo es die Roten früher einmal waren, am besten lief es in Poing, Ebersberg und Grafing - dort schaffen es die Grünen in zwei Wahlbezirken sogar, die CSU zu überholen. Bemerkenswert ist auch, dass der Aufschwung der Grünen offenbar nicht nur ein reiner Stabwechsel im linken Spektrum zu sein scheint. Die Grünen sind auch zweistellig geworden, wo das der SPD nie gelungen ist. So gab es in Emmering 13,4 und in Frauenneuharting 13,7, in Baiern sogar 15,4 Prozent für die Grünen, die SPD hatte dort bei vergangenen Wahlen, egal ob Land, Bund oder Europa, meist mit Werten um die fünf Prozent oder darunter abgeschnitten. Es scheint wohl, dass die Grünen erfolgreich auch um konservative Wähler werben, die sich von der CSU nicht mehr vertreten fühlen.

Ein anderer Teil - wenn auch ein inzwischen etwas geschrumpfter - fühlt sich offenbar bei der AfD wohl. Deren bestes Ergebnis gab es mit 9,3 Prozent in Aßling, neun waren es in Forstinning, beides Orte, in denen die CSU lange Zeit sehr gute Ergebnisse holte, meist lagen sie deutlich über 50 Prozent. Allerdings liegen auch die schlechtesten Werte der Rechtspopulisten in tiefschwarzen Orten: 4,2 Prozent in Baiern für die AfD und 49,3 für die CSU. Auch in deren Hochburg Frauenneuharting bleiben die Ultrarechten mit 5,9 unter dem Landkreisschnitt von sieben Prozent - ganz offenbar gräbt eine starke CSU der AfD das Wasser ab. Bemerkenswert ist, dass die Rechtspopulisten auch in den einstigen SPD-Hochburgen überdurchschnittliche Ergebnisse erzielen: 8,5 Prozent sind es in Kirchseeon, jeweils 7,5 in Poing und Markt Schwaben.

Trotzdem scheint sich auch rechts außen ein Trend fortzusetzen, der sich bereits im Herbst angedeutet hat. Bis zur vergangenen Bundestagswahl schien es für die AfD nur in eine Richtung zu gehen: nach oben. Waren es im Herbst 2013 noch 4,9 Prozent, gab es 2014 bei der Europawahl bereits 8,7 und bei der Bundestagswahl 2017 dann 10,3 Prozent. Doch ein Jahr später kam die AfD bei der Landtagswahl im Stimmkreis Ebersberg nurmehr auf 7,5, am Sonntag war es nun noch ein halber Prozentpunkt weniger.

© SZ vom 28.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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