Vorweihnachtszeit:Die Ebersberger sind an Weihnachten für den Weltuntergang gewappnet

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Volle Einkaufswägen und meterlange Papierrollen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Für unseren Autor ist es ungewöhnlich, dass sich seine Umgebung vor den Festtagen mit Waren und Vorräten eindeckt. Über den letzten Samstag vor Heiligabend im Ebersberger Einkaufszentrum.

Report von Olaleye Akintola, Ebersberg

Die Läden ziehen die Menschen in diesen Tagen an wie Nektar die Bienen. Als ob eine lange Dürreperiode im Anmarsch ist, füllen die Menschen ihre riesigen Einkaufswägen mit Vorräten. Die Augen scannen die Regale ab, jeden letzten Winkel, irgendwie findet sich im Wagen immer noch ein Platz für ein weiteres Geschenk.

Irgendwo haben sie an fast jeder Ecke Lautsprecher versteckt, aus denen Schellenmusik erklingt, im Takt der Musik bewegen sich Einkaufs-Angestellte mit missionarischem Eifer durch die Gänge. Die Kassierer blättern Scheine wie Kartenstapel in ihre Kassen, während sie die Kunden mit einem charmanten "Auf Wiedersehen" verabschieden. In den letzten Wochen vor Weihnachten wird gekauft und gekauft, als stünden wir vor dem Weltuntergang.

Ein Samstag im Ebersberger Einkaufszentrum "Einz", mitten im Ort, kaum zu glauben, dass so viele Menschen in dieser Kleinstadt wohnen sollen. Alle haben nur eines im Sinn, möglichst schnell möglichst viel Geld loszuwerden, wie bei den Panikkäufen an der Börse, wenn die Kurse fallen. Nur dass die Waren nie ausgehen, egal wie viel die Menschen aus den Regalen in ihre Wägen hieven - wie von Zauberhand füllen sie sich wieder auf.

Mir kommt Weihnachten vor wie eine große Verprasser-Orgie, als ob die Leute das ganze Jahr dafür arbeiten, dass sie innerhalb weniger Tage alles verschleudern können. Bilder wie die im Ebersberger Einz prägen sich einem wohl beosnders ein, wenn man das kennt, wo ich herkomme. Die privilegierte Oberschicht Nigerias tauscht vielleicht noch Geschenke aus, in der Mittelklasse und bei den Armen beschränken sich die Menschen aber meist darauf, am Weihnachtsabend ein etwas besseres Essen zu kochen als sonst - und sie ziehen sich ihre schicksten Kleidungsstücke an.

Die Ebersberger Händler sind natürlich auch nicht auf den Kopf gefallen

Am Ebersberger Einkaufszentrum könnte man meinen, es gäbe monatelang nichts mehr zu kaufen. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Im Einz sitzen die Leute schon am Wochenende vor Weihnachten beim Italiener und essen Rigatoni-Nudeln mit Kaninchen-Filet. Bei meinem Vater zuhause gab es früher an Weihnachten immer eine Reisplatte, ein Huhn und eine Flasche Cola. Cola, das war etwas ganz Besonderes, weil es das sonst nie gab, außer eben an Weihnachten. Und auch wenn das nach vergleichsweise wenig klingt, Weihnachten, so sagte mein Vater, hatte diesen Sonderstatus nicht nur wegen des Glaubens sondern auch wegen dieses Hühnchens und der Colaflasche.

Manchen scheint das Einkaufen hier großen Spaß zu machen, viele sehen aber auch so aus, als ob ihnen all die Besorgungen große Sorgen bereiten. Manche bewegen sich so hastig durch die Gänge, dass man meint, sie würden verfolgt. Verfolgt zu sein ist nicht schön, und doch hat Nigeria sein Gutes. Ich könnte mir vorstellen, dass einige Ebersberger viel entspannter wären, wenn das Hendl und eine Coca Cola am 24. Dezember den Ansprüchen genügen würden.

Wenn man 33 Weihnachtsfeste mitgemacht hat, dann hat man alles erlebt, möchte man meinen, doch wer das sagt, war noch nie im Einz. Wenn man durch das Einkaufszentrum streift, dann sieht es auf den ersten Blick danach aus, als sei man im Paradies für Schnäppchenjäger gelandet. Und zwar, weil überall durchgestrichene Preisschilder hängen, oder große dicke Aufkleber, auf denen "Rabatt" draufsteht. Ich war kurz davor, dass ich mir ein paar Schuhe und große Mengen Schokolade kaufe, bei diesen Angeboten musste man im Prinzip zuschlagen.

Oder? Nach einer Weile kam ich ins Grübeln, weil ganz so billig war der Schuh eigentlich immer noch nicht. Jedenfalls beschlich mich der Verdacht, dass die Händler auch nicht auf den Kopf gefallen sind. Es wäre ja auch ungeschickt, alles billiger zu machen, wenn jeder etwas kaufen will. Klüger ist es da schon, den Preis zu verdoppeln, und dann wieder durchzustreichen.

Auf dem Markt muss man sich nicht jeden Nepp gefallen lassen

In Nigeria haben wir fast von allem weniger, dafür muss man sich aber nicht jeden Nepp gefallen lassen. Wo ich herkomme, gehen die Leute zum Einkaufen lieber auf Märkte. Sie legen die Waren nicht gerne in einen Metallwagen und lassen den Preis von der Kassiererin scannen. Stattdessen bevorzugt man es, mit den Marktschreiern harte Verhandlungen um den Preis zu führen. In Deutschland gibt es Fixpreise, außer auf Auktion oder bei Ebay hat der Käufer beim Preis nichts mitzureden.

Einfluss hat man hingegen darauf, wie man ein gekauftes Geschenk präsentiert. Wie wichtig das den Leuten ist, sieht man an den Szenen im Einz. Jeder hat andere Dinge in den Körben, Wagen und Taschen - doch eines haben alle gemeinsam: Jeder hat meterlange Rollen dabei, keine Schlagstöcke, um sich gegen Räuber zu verteidigen, sondern verziertes Papier, mit dem die Deutschen an Weihnachten ihre Geschenke einpacken.

Nach dem Einwickeln wird das Papier dann aufgerissen und weggeschmissen. Umweltschützer schimpfen über diese Gepflogenheit, sehen in ihr die Vorstufe zum Weltuntergang. Eines ist klar: Was die Vorräte betrifft, sind die Ebersberger in diesen Tagen aufs Äußerste gewappnet.

Übersetzung aus dem Englischen: koei

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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