Vortrag in Grafing:Mehr als Krieg und Elend

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Jamal Farani zeigt die schönen Seiten seines Heimatlandes Afghanistan - und erzählt über ein kreatives Projekt

Von Isabel Steuer, Grafing

Bilder von bunten Basaren, prächtigen Mandelblüten und spiegelglatten Seen hoch in den Bergen zieren die Wände des Caritas-Zentrums in Grafing und fangen sofort den Blick eines jeden Besuchers ein. Diese Aufnahmen wurden in Afghanistan gemacht von Jamal Farani. Solch schöne Szenerien sind meist nicht die ersten Bilder, die einem in den Kopf springen, wenn man an das vom Krieg zerrüttete Land denkt.

In seinem Vortrag über Afghanistan erzählte Farani am Dienstagabend nicht nur über die wunderschönen Landschaften und die vielfältige Kultur, sondern auch von seiner Flucht vor mehr als 30 Jahren und seinem aktuellen Hilfsprojekt, das er in Kabul im Mai 2018 startete. Es soll zum einen den Gebrauch von Plastiktüten reduzieren und zum anderen Frauen in Afghanistan helfen.

Afghanistan ist seit vielen Jahren selten mit guten Nachrichten in den Medien. Krieg, Armut und das Leben in ständiger Angst, auf der Straße ums Leben zu kommen: Das ist für viele Menschen dort Alltag. Eine Flucht aus dem Land ist oft alles, was einem bleibt. Farani besuchte die Universität, als die russischen Truppen 1979 in das Land einfielen. Schließlich sagte seine Mutter, er müsse das Land verlassen: Sie wollte eine Zukunft für ihn haben. 1981 machte er sich auf die mühsame Reise nach Europa. Über Kabul reiste er zusammen mit einem Freund nach Pakistan. Sie schliefen tagsüber und marschierten nachts, um die Bomber zu vermeiden. Nach vierzehn Tagen Reise kamen sie endlich in Pakistan an. Neun Monate mussten sie dort warten, bis sie nach Europa konnten mit einem Visum. Sie nahmen einen Flieger mit mehreren Zwischenstopps und kamen endlich in Frankfurt an, wo sie sofort zur Polizei gingen und Asyl beantragten. Natürlich konnten sie kein Deutsch und die Polizei keine afghanische Sprache, berichtete Farani den Besuchern im Grafinger Caritas-Zentrum. Nach einigen Tagen kam der Dolmetscher, und sie konnten Asyl beantragen. Es dauerte aber noch vier Jahre, bis der Antrag endlich genehmigt war.

Eine schreckliche Zeit sei das gewesen, erinnerte sich Farani: Man konnte keine Deutschkurse besuchen, man durfte nicht arbeiten, nicht einmal ohne Erlaubnis die Stadt verlassen. Nach der Genehmigung des Antrags zog Farani nach Paderborn. Er lernte Deutsch und bewarb sich unablässig, doch ohne Erfolg. Nach vielen Versuchen und viel Mühe habe er über das Arbeitsamt endlich eine Ausbildungsstelle zum Elektroinstallateur in Fürstenfeldbruck bekommen, erzählte Farani. Inzwischen arbeitet er bei der Firma "Spie" in München.

Nach alledem, was Farani durchgemacht hatte, wollte er anderen helfen, denen es ähnlich erging wie ihm. Er wandte sich an die Caritas: "Ich will mehr tun." In Kooperation mit der Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas half er jungen persischen Flüchtlingen, die nach Deutschland kamen, als Dolmetscher. Er wusste wie es war, vor einem Krieg zu fliehen und allein in ein Land kommen, in dem man sich mit niemanden verständigen konnte. Deshalb half er den jungen Persern in der Kommunikation.

Farani reist regelmäßig zurück nach Afghanistan. Seine Liebe zu seinem Heimatland zieht ihn immer wieder hin. "Afghanistan ist ein wunderschönes Land und für mich mehr als ein Lebensgefühl", so Farani. Für sein aktuelles Projekt "Stoff statt Plastik" sammelte er Geld in Deutschland durch Spenden und durch den Verkauf selbstgemachter Kalender mit seinen Fotografien über die schönen Seiten Afghanistans. Nachdem das Geld beisammen war, flog er nach Afghanistan und kaufte dort 20 Nähmaschinen, etliche Kartons an Faden und viel Stoff. Ein Bekannter stellte ihm einen Raum zur Verfügung und half, einige Frauen zu organisieren, die Taschen nähen sollten. Sie brachten ihnen Nähen bei und verkauften die Taschen weiter.

Jede Näherin bekommt drei Afghani pro genähter Tasche, der Rest des Erlöses geht direkt zurück in den Stoffkauf. Mit den neu gelernten Fähigkeiten können die Frauen auch Kleidung für ihre Kinder nähen und gewinnen etwas Selbstständigkeit durch das verdiente Geld. Das Projekt läuft gut, und Farani reist immer wieder zurück, um mehr Maschinen und Material zu besorgen. Wer diesen guten Zweck unterstützen möchte, kann einen Kalender bei Farani erwerben unter der E-Mail-Adresse jamal.farani@yahoo.de oder sich an die Flüchtlings- und Integrationsberatung der Caritas wenden.

Die Ausstellung mit Faranis Bildern aus Afghanistan, die das Caritas-Zentrum in Kooperation mit dem Katholischen Kreisbildungswerk nach Grafing geholt hat, ist noch bis Ende Januar montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 16 Uhr in der Bahnhofstraße 1 in Grafing zu sehen.

© SZ vom 20.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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