Vortrag:"In der Mitte angekommen"

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Tobias Holl informiert online über Rechtspopulisten in Kommunalparlamenten

Interview von Thorsten Rienth, Ebersberg

Dieser Tage konstituieren sich die neuen Stadt- und Gemeinderäte. Rechtspopulisten oder gar Rechtsextreme sind zwar klar die Ausnahme. Dennoch ist der Landkreis nicht vor der Gefahr gefeit, wie mittlerweile mehrere Angriffe auf Migranten oder auf offen antirassistisch auftretende Vereine wie etwa das selbstverwaltete Ebersberger Jugendzentrum (AJZ) belegen. Am Dienstagabend thematisiert ein Zusammenschluss aus der Ebersberger Volkshochschule, dem Bündnis "Bunt statt Braun", des Ebersberger Kreisjugendrings (KJR) sowie die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern die Gefahr des "Rechtspopulismus in Kommunalparlamenten" in einem Online-Vortrag. Anruf bei Tobias Holl von der Mobilen Beratungsstelle, deren "Büro Süd" in Ebersberg sitzt. Nachdem die Mitarbeiter oft Ziel rechter Anfeindungen sind, veröffentlicht die SZ das Interview ohne Foto.

SZ: Herr Holl, im Landkreis sitzt höchstens eine Handvoll ausgewiesene Rechtspopulisten in den Kommunalparlamenten. Warum so ein Aufhebens darum?

Tobias Holl: Rassistische, antisemitische und antifeministische Einstellungen sind weiter verbreitet, als viele denken. Sie sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Kommunale Wahlergebnisse dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass der parlamentarische Arm der extremen Rechten aktuell auf allen Ebenen eine etablierte Kraft im bundesdeutschen Parteienspektrum darstellt. Auf kommunaler Ebene, also dem direkten Lebensumfeld der Menschen, bestimmen Rechtsextreme und Rechtspopulisten zusehends den Diskurs. Auch, weil Kommunalpolitik sehr komplex und im Vergleich zur Landes- und Bundesebene durch die Ehrenamtsstruktur wenig professionalisiert ist.

Gerade Rechtspopulisten profitieren also von der Komplexität der Materie?

Ja, aber nicht nur. Häufig sind Rechtspopulisten bekannte lokale Persönlichkeiten. Oft sind oder waren sie in Vereinen aktiv, in Ehrenämtern oder saßen vorher für sogenannte etablierte Parteien in den Gremien. Das macht es ihnen vergleichsweise leicht, sich als Kümmerer des viel zitierten kleinen Mannes zu inszenieren. Auf der anderen Seite macht es die manchmal jahrzehntelange Nähe zu diesen Leuten schwer, jetzt einen professionell-distanzierten Umgang mit ihnen zu finden.

Gibt es so etwas wie eine Standardstrategie, mit der sich rechtspopulistische Argumentation entlarven lässt?

Die Strategien rechtspopulistischer Parteien sind regional sehr unterschiedlich. Aber es lassen sich Tendenzen erkennen. Grundsätzlich kann man von einem Spannungsfeld sprechen, das sich aus einem aggressiven, manchmal sogar pöbelnden Auftreten aufspannt, sowie kalkulierten Tabubrüchen und der Kümmerer-Inszenierung. Entlarven lassen sie sich mit einem Blick in die Programme: Da geht es vor dem Hintergrund eines vermeintlichen "Volkswillens" um den Abbau von Minderheitenschutz. Um den Förderungsstopp für lokale Helferkreise. Für den Ausstieg aus kommunalen Bildungsprogrammen. Diese realen Konsequenzen rechter Politik gilt es zu benennen - nicht erst reaktiv, sondern aktiv. Das beinhaltet auch eine klare Selbstvergewisserung der eigenen demokratischen Werte: Wer genau weiß, was auf dem Spiel steht und klare Haltung zeigt, kann sich menschenfeindlichen Positionen und Strategien vorbereitet entgegenstellen. Keine Frage: Das ist anstrengend und kostet Zeit. Aber das muss uns die Demokratie wert sein.

Kommenden Dienstag halten Sie einen Online-Vortrag zum "Rechtspopulismus in Lokalparlamenten". Wie läuft das ab?

Es geht uns um einen praktischen Blick auf die Problematik. Wir stellen Fallbeispiele vor und arbeiten an ihnen entlang heraus, wie man Rechtspopulisten erfolgreich entgegentreten kann. Und wir wollen aufzeigen, dass ein breiter Konsens aller lokal vertretenen demokratischen Parteien eine echte Schlagkraft gegen Rechtspopulismus entwickeln kann. Auch das ist nicht immer einfach - deshalb sucht und findet man diesen Konsens am besten schon im Wahlkampf und vor den konstituierenden Sitzungen.

Sonst passiert so etwas wie unlängst in Thüringen, wo sich ein FDPler mit den Stimmen der AfD zum Ministerpräsidenten hat wählen lassen. Diese schleichende Normalisierung extrem rechter Akteure ist nicht trivial, sondern mobilisiert ein ohnehin vorhandenes Einstellungspotenzial, das sich gleichzeitig radikalisiert. Auch im Landkreis Ebersberg kam es zu Angriffen gegen Politiker, Geflüchtete und Jugendzentren, die sich antirassistisch engagieren. Ganz wichtig ist aus unserer Sicht, dass in den lokalen Diskurs Betroffene von rassistischen, antisemitischen oder antifeministischen Anfeindungen eingebunden sind: Damit einerseits diese Leute eine breite Solidarität erfahren. Und andererseits, damit die oft schwierig greifbaren Auswirkungen und Folgen extrem rechter und rechtspopulistischer Politik in der breiten Öffentlichkeit ein Gesicht bekommen.

Anmeldung bei der Volkshochschule Ebersberg bis Freitag, 8. Mai, per E-Mail unter Angabe der Kurs-Nummer 201-10170W sowie Vor- und Nachname an m.eglauer@vhs-grafing.de

© SZ vom 08.05.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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