Vortrag beim Kreisbildungswerk Ebersberg:Ängste ernst nehmen

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Familienexpertin gibt Tipps für Eltern in der Corona-Krise

Vor einer absurden Situation sahen sich die Mitarbeiter des Katholischen Kreisbildungswerks Ebersberg (KBW): Kürzlich eröffneten sie noch das neue Haus der Familie als Ort der Begegnung von Jung und Alt, mitten in Ebersberg. Just an dem Tag, an dem die ersten Veranstaltungen dort stattfinden sollten, wurde die Ausgangsbeschränkung in Bayern verkündet. Begegnungen sind derzeit nicht möglich, also wich das KBW mit seiner Einstands-Veranstaltung auf das Internet aus.

Etwas mehr als eine Stunde konnten sich Interessierte am Donnerstagabend Informationen und Tipps von der Familienexpertin Alexandra Schreiner-Hirsch einholen zum Thema "Stark durch die Krise - Was braucht mein Kind in Zeiten von Corona?" 24 Teilnehmerinnen hatten sich dazu geschaltet und lauschten Schreiner-Hirschs Ausführungen, die sich an zwei Hauptfragen entlang hangelten: Wie kann ich auf Kinderfragen antworten? Und: Wie kann ich mit den Ängsten der Kinder umgehen?

Wer seinem Kind auf Augenhöhe erklären möchte, was es mit Corona auf sich hat, dem empfiehlt die Familienexpertin etwa einen Trickfilm der Stadt Wien. Schrittweise wird darin erklärt, wie sich das Virus verbreitet und weshalb man sich deswegen die Hände besser oft wäscht. Außerdem sind auf den Seiten von Kinderschutzbund oder Unicef auch kindgerechte Erklärungen dazu zu finden. Schreiner-Hirsch zitiert einen Tweet der Münchner Polizei, die auf die Frage eines Jungen reagiert, ob der Osterhase auch trotz der Ausgangsbeschränkung in diesem Jahr die Nester verstecken kann: "Der Osterhase ist schlau und verbindet das Verstecken von Ostereiern mit der Bewegung an der frischen Luft. Diese ist weiterhin erlaubt. Zudem achtet er natürlich auf den Mindestabstand von 1,5 Metern und wäscht sich vorher und im Anschluss seine Pfoten."

Vor allem viel aktives Zuhören ist gefragt, wenn es um die Ängste der Kinder geht. Das heißt: Alle anderen Tätigkeiten beenden, das Kind anschauen, nachfragen, zusammen fassen. "Es ist wichtig, die goldene Mitte zu finden", sagt Schreiner-Hirsch. "Nicht verharmlosen, aber auch nicht dramatisieren." Viele Eltern würden sich derzeit fragen: Wie viel Wahrheit verträgt mein Kind? Dabei würde oft unterschätzt, dass Kinder fast alles hören und mitbekommen. "Wir sehen schon meistens am Gesicht der Kinder, wie es ihnen geht", so Schreiner-Hirsch.

Weil die derzeitige Situation für alle neu ist, müsse man auch mit dem Trial-and-Error-Prinzip arbeiten, so die Familienexpertin: einfach ausprobieren, was funktioniert. Konkret heißt das, den Kindern etwa klarzumachen, dass Angst auch etwas Gutes ist, das uns schützt, weil es uns vorsichtig macht. Viel zu schnell würden Erwachsene sagen: "Du musst keine Angst haben!" oder "Ist doch nicht so schlimm." Wichtiger sei jedoch, das Gefühl ernst zu nehmen und darüber zu sprechen, sagt Schreiner-Hirsch. Zum Beispiel, indem man fragt: Wo spürst du denn die Angst? Bei mir sitzt sie im Nacken. Oder: Welche Farbe hat das Gefühl? Dieser spielerische Umgang könne sowohl den Eltern als auch den Kindern helfen, die eigenen Gefühle zu verstehen und einzuordnen.

Neue Strategien zu entwickeln, sowohl um den Alltag in der Ausgangssperre zu meistern als auch Stresssituationen, dazu hält die Familienexpertin immer wieder an. So sei es wichtig, dass auch die Eltern sich immer wieder Auszeiten schaffen, auch wenn es nur fünf Minuten zum Kaffeetrinken sind. Oder indem sie sich abwechseln und einer auf die Kinder aufpasst, während der andere zum Joggen geht. Auch seien Routinen in der derzeitigen Situation besonders wichtig, um den Kindern ein Gefühl der Stabilität zu vermitteln. "Vielleicht ist man als Eltern ein bisschen großzügiger als sonst", schlägt Schreiner-Hirsch vor, "liest etwa eine zweite Gute-Nacht-Geschichte vor, oder das Filmchen darf auch etwas länger sein."

Für Notfälle oder auch dann, wenn man einfach mal jemanden zum Reden braucht, rät die Expertin, Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Die Caritas etwa, aber auch alle anderen psychosozialen Stellen hätten ihre Tätigkeit nun telefonisch oder virtuell wieder aufgenommen. Immer wieder betont Alexandra Schreiner-Hirsch, dass in der momentanen Situation, der sozialen Abschottung und der erzwungenen gemeinsamen Zeit auch eine große Chance liege. Seit vielen Jahren leitet sie Veranstaltungen mit Kindern und Familien. "Jedes Mal, wenn ich die Frage stelle, was die Kinder sich wünschen - und da ist es egal, ob das Kind drei oder 16 Jahre alt ist - war die Antwort: Mehr Zeit mit den Eltern zu verbringen."

© SZ vom 06.04.2020 / fla - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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