Von der Schule in die Arbeitswelt:Türöffner für die Zukunft

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Erfolgreiches Team: Mit Hilfe von Mentor Heinz Gerrits (rechts) hat Uysal Tutal eine Ausbildung gefunden, die er inzwischen abgeschlossen hat. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Mentoren begleiten Schüler im Landkreis beim Einstieg in das Berufsleben. Das kann sehr aufwendig und zeitintensiv sein. Nun soll das Angebot auch auf die Realschule Vaterstetten ausgeweitet werden

Von Valentin Tischer, Vaterstetten

Seit elf Jahren begleitet eine Gruppe von Mentoren in Vaterstetten - eine von insgesamt drei im Landkreis Ebersberg - Schüler bei ihrem Einstieg in das Berufsleben. Über 90 Schüler der Mittelschule Vaterstetten und der Förderschule in Poing haben das Programm zumeist erfolgreich durchlaufen. Elf ehrenamtliche Mentoren kümmern sich um Praktika, Hilfe bei der Berufsfindung und geben Tipps zum Bewerbungsprozess. Jetzt soll das Mentoring erweitert und auch an der Staatlichen Realschule Vaterstetten angeboten werden.

Heinz Gerrits ist 78 Jahre alt und Rentner. Früher hat er als Ingenieur in der Milchwirtschaft gearbeitet, heute engagiert er sich ehrenamtlich als Mentor und hat die Leitung des Mentoring-Programms inne. Die Mentorings, erklärt Gerrits, sind eine aufwendige Sache. Die Schüler werden von ihren Lehrern für das Programm vorgeschlagen, können aber auch selbst auf die Mentoren zu kommen. Das Angebot richtet sich speziell an Schüler der Mittelschule. "Unser Fokus liegt auf der Lehre", erläutert Gerrits. Das Mentoring beginne immer mit einer Vertrauensphase. Nach Absprache mit den Eltern, die ihre Zustimmung geben müssen, solle eine Beziehung zwischen Mentor und Schüler, sowie gegenseitiges Vertrauen aufgebaut werden. Bei einigen Schülern brauche diese Phase sehr viel Zeit. So erzählt Gerrits, dass er mit einem Schüler und seinem Mentor erst zum Fliegerhorst nach Fürstenfeldbruck fahren musste, damit sich der Schüler geöffnet hat.

Im nächsten Schritt des Programms soll herausgefunden werden in welches Berufsfeld die Schüler passen würden. "Sehr viele Mädchen bei uns wollen Tierpflegerin werden", erzählt Gerrits, aber nicht alle seien dazu geeignet. Mit Hilfe seines persönlichen Profils, das die Schüler selbst erstellen, ihrer hervortretenden Stärken und Schwächen und ihrer Interessen, suchen die Schüler und ihre Mentoren zusammen interessante Praktika, in einem Berufsfeld oder gehen gemeinsam ins Berufsinformationszentrum. Meist ergebe sich dann schon ein passender Ausbildungsberuf.

Die Mentoren begleiten die Schüler bis zu ihrer möglichen Einstellung durch einen Betrieb und auch darüber hinaus. Im Vorfeld erarbeiten sie mit den Schülern deren Bewerbungsunterlagen. So überprüfen sie die Anschreiben, den Lebenslauf, die Praktikumszeugnisse und alle weiteren Unterlagen, die wichtig sind. Auch üben sie mit den Schülern den Ablauf eines Bewerbungsgespräches und auf welche Kleinigkeiten sie achten müssen.

Wie ein erfolgreiches Mentoring aussehen soll, zeigt die Geschichte von Uysal Tutal, einem von Heinz Gerrits Schülern. In der achten Klasse hatte er Gerrits und sein Mentoring durch eine Bekannte kennengelernt. "Er hat mit mir viele Ausflüge gemacht, mal in ein Museum oder zum Arbeitsamt", beschreibt er die Vertrauensphase zwischen ihm und Gerrits. Danach ging es ans Eingemachte, die Weichen für seine berufliche Zukunft mussten gestellt werden. Tutal sagt über seinen Mentor, dass er sehr aktiv gewesen sei: "Er hat sehr viel recherchiert und war immer für mich da." Gemeinsam übten die beiden, wie man sich richtig bewirbt. Zusammen erarbeiteten sie auch eine Bewerbungsmappe: Tutal schrieb sein Anschreiben und seinen Lebenslauf und Gerrits korrigierte die Fehler mit Rotstift. Er sagt, es sei für ihn ein Erfolgserlebnis gewesen, als er bemerkt habe, dass je mehr er übte, umso weniger Rotstift auf seinen Unterlagen zu sehen war.

Tutal bewarb sich bei der Firma Gienger aus Markt Schwaben um eine Ausbildungsstelle als Lagerist. Er wurde zum Vorstellungsgespräch eingeladen, bei dem auch sein Mentor dabei war. Bei der Führung durch den Betrieb wurde klar, dass sich der Personaler und der Mentor gut verstehen. Das Gespräch verlief unaufgeregt - und erfolgreich. Nachdem Tutal und sein Mentor durch die Tür gehen wollten, rief ihnen der Chef noch einmal hinterher, dass er etwas vergessen habe und dass er doch bitte eine Mail mit fünf Gründen schreiben solle, warum er der Richtige für die Ausbildungsstelle sei. Tutal sagt selbst, dass er das wahrscheinlich im Laufe der Woche gemacht hätte, aber sein Mentor war anderer Meinung: "Der will deine Schnelligkeit testen, also machen wir das gleich. Und wir nennen nicht nur fünf, sondern sieben Gründe."

Von seinem Mentoring hat Tutal sehr viel mitgenommen: "Ich habe sehr viel über Bewerbungen gelernt, zum Beispiel, dass eine Bewerbung mehr ist als nur ein Anschreiben. Man muss sich auch gut präsentierten. Wir haben sehr viel geübt." Uysal Tutal ist jetzt Fachlagerist bei der Firma Gienger. Nach einem Berufsvorbereitungsjahr hat er seine Ausbildung aufgenommen und sie im vergangenen Jahr abgeschlossen. Auch jetzt noch ist er seinem Mentor sehr dankbar: "Er hat mir Türen für die Zukunft geöffnet."

Ganz so reibungslos laufen die Mentorings freilich nicht immer ab. Die Vaterstettener Gruppe um Gerrits besteht aus zwölf Ehrenamtlichen, die keine sozialpädagogische oder ähnliche Ausbildung haben. Einige Fälle überfordern die Mentoren schlicht. Die Familien der Jugendlichen würden dabei oft eine große Rolle spielen. So kann Gerrits Geschichten erzählen von Eltern, die das Mentoring ständig überwachen und kontrollieren wollen, was die Zusammenarbeit mit dem Schüler verhindert. Aber auch die Jugendlichen selbst müssten manchmal eigentlich eher zum Sozialpädagogen, als zum Mentor, meint Gerrits.

Ein Problem, welches sich erst in letzter Zeit äußert, klingt überraschend: Es gibt zur Zeit zu viele Mentoren, für zu wenige Schüler. Laut Gerrits würden die Schulen behaupten, dass es keine geeigneten Kandidaten mehr gebe, weil vor allem die Eltern sich mehr um die berufliche Ausbildung der Kinder kümmern würden. Dem will Gerrits nicht vollständig zustimmen. Um das Programm am Laufen zu halten, will er auch in der Realschule tätig werden. Bisher waren Mentorings nur auf die Mittelschule Vaterstetten und die Förderschule in Poing beschränkt. Sie waren sehr aufwendig und dauerten teils über zwei Jahre. Für die Vaterstettener Realschule will Gerrits nun Kurzmentorings anbieten, die nur einige Monate dauern. "Dass da bei über 1000 Schülern kein Bedarf herrscht, kann nicht sein", sagt er. Den Schülern soll vor allem bei der Suche von Praktika, der Wahl ihrer Berufsrichtung und dem Bewerbungsprozess geholfen werden. Gerrits hat auch schon einige Plakate in der Schule aufgehängt - und der erste Schüler hat bereits Interesse angemeldet.

© SZ vom 08.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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