Vielseitiger Niederbayer:A Nachtigall unta Henna

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Senkrechtstarter Martin Frank begeistert in Ebersberg mit Geschichten aus Oper und Stall

Von Anja Blum, Ebersberg

Kann man mit gerade einmal 25 Lenzen autobiografisches Kabarett machen? Ja, wenn man Martin Frank heißt, durchaus. Nicht umsonst wurde der 25-Jährige mit dem spektakulär unspektakulären Namen vergangenes Jahr beim Bayerischen Kabarettpreis als "Senkrechtstarter" ausgezeichnet, das hat er am Donnerstag mit einem fulminanten Auftritt im ausverkauften Alten Kino in Ebersberg bewiesen. Frank agiert selbstbewusst sowie sympathisch und überzeugt mit vielen Talenten: Der junge Mann ist ein exzellenter Komödiant, Schauspieler und klassischer Sänger. Seine Arien-Parodien muss man schlichtweg als die Höhepunkte des Abends bezeichnen. Kein Wunder, dass das Ebersberger Publikum entzückt ist.

Franks Thema ist - auch im zweiten Soloprogramm - sein eigener, verschlungener Lebenslauf, das Wandeln und Suchen zwischen den Welten, zwischen Land und Stadt, zwischen bodenständiger Arbeit und brotlosem Künstlertum. Daraus schöpft der Niederbayer sein Drama, denn zu Hause fühlt er sich nirgends so richtig. Auf dem elterlichen Bauernhof im bayerischen Wald ist er ein Paradiesvogel unter den Hennen, viel zu kreativ und sensibel angesichts des ländlichen Pragmatismus', die Kreativen aber stecken ihn schnell in die Schublade "Landei".

Ein Dilemma, aus dem Frank wunderbare Episoden schmiedet: Bei der Aufnahmeprüfung am Mozarteum, dem scheinbaren Elysium, wird ihm beim Stierkampf aus "Carmen" ein Texthänger zum Verhängnis, weil er improvisiert - auf Bairisch selbstverständlich. Eine Arie vom "dod'n Ratz und da groß'n Katz" will jedoch leider keiner hören. Und an der Münchner Schauspielschule stößt er mit einer tierischen Nachgeburt in der Tupperdose auf Unverständnis. Dabei hatte die Dozentin angesichts eines landwirtschaftlichen Notfalls, eines kalbenden Rindviechs nämlich, doch gesagt: "Sei die Kuh, gebäre mit ihr - und bring uns morgen diese Erfahrung mit!"

Bei allem Aufeinanderprallen der Kulturen verrät Frank seine Heimat nicht, die einfachen Menschen vom Land kommen bei ihm deutlich besser weg als die Stadtneurotiker mit ihrem Superfood, Besserwissertum und Small Talk, ihrer Photoshop-Angeberei und ihrer Rücksichtslosigkeit. "I hob scho als kloaner Bua g'lernt: Erst kommt's Rindviech, dann du", sagt Frank - "des denk i mir jetzt in der U-Bahn a oft no". Überhaupt begeistert der Niederbayer das Ebersberger Publikum immer wieder mit Bauernweisheiten à la "Wenn da Doag ned gäht, war d' Hefn z' bläd", und auch wenn er etwas verdeutlichen will, greift er gerne zu Metaphern aus dem Stall. Ein großes Thema des Abends ist zum Beispiel die richtige Berufswahl, auch hier engagiert sich Frank für die einfachen Leute: Der Fachkräftemangel sei doch überhaupt kein Wunder, da die meisten von einem Job in Pflege, Handwerk oder Gastro nicht leben könnten. Wenn die Rindviecher nicht genug zu fressen bekämen, hieße es schließlich auch ganz schnell: "Don't touch my Zitzes!" Der Saal brüllt. Ein Reizwort ist für den 25-Jährigen auch der Bachelor, den er als ein zumeist absolut unnützes Statussymbol erachtet. "Depp bleibt Depp."

Frank selbst hat nicht studiert. In der Schule nach eigenen Angaben ein Versager, als Beamter im Rathaus absolut unglücklich, die Opernkarriere gescheitert, mit 25 nach wie vor Single - die Krise ist umfassend: "dumm, einsam, obdachlos". Überhaupt gibt sich Frank oft als nah am Wasser gebaut, zupft nervös an seinem Hemd, fächelt sich Luft zu. Doch er ist überzeugt: Jeder sollte versuchen, seinen Traum zu leben. Also stürzt er sich ins Ungewisse, in das Abenteuer Kleinkunst. Nach dem Motto: Wenn eine Tür zugeht, aber keine andere auf, dann musst du halt ein Fenster einschlagen. Man müsse nur eben Menschen finden, die so einen Weg mit einem gehen: ein Publikum wie das in Ebersberg.

In welch absurde Höhen die Reise des Martin Frank noch gehen kann, zeigen zwei herrliche Szenen: Die Geschichte um einen "Secret Code" der Rentner am Friedhof - die Stellung der Düse an der Gießkanne zeigt den Bedarf an geschlechtlicher Zuwendung an - verdichtet der Kabarettist in einer Arie aus der Operette "Gasparone": "Dunkelrote Rosen bring ich, schöne Frau! Und was das bedeutet, wissen Sie genau!" Einfach köstlich! Und am Schluss treibt Frank sein Thema gekonnt auf die Sitze: Brigitte aus NRW macht Urlaub auf dem elterlichen Hof - und gänzlich neue Erfahrungen: "Sie, Frau Bauer! Alarm! Das Hühnchen ist verstorben!" Das eröffnet dem Sohn des Hauses ein völlig neues, lukratives Geschäftsfeld: Patenschaften für "verreckte Henna", samt Beerdigung auf dem Misthaufen mit Prozession, Tränen und hochemotionaler Musik - dem "Largo" von Händel fürs Hendl. Bitte mehr davon!

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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