Versteckte Botschaft:Home im Farbenrausch

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Der international bekannte Künstler Daniel Man gestaltet eine zweite Wand im Ebersberger Skatepark. Das bunte Gemälde soll das Gemeinschaftsgefühl der Jugendlichen widerspiegeln

Von Sabina Zollner, Ebersberg

Auf den ersten Blick wirkt die Wand des Skateparks einfach nur bunt. Blaue, lila, rote, gelbe Formen bilden ein dynamisches, dreidimensional wirkendes Muster. Bei näherer Betrachtung lassen sich ein paar Buchstaben, Bäume und eine Art Schlange erkennen. Die Wandmalerei stammt von Daniel Man. Für drei Tage war der bekannte Street-Art-Künstler nun zu Besuch in Ebersberg. Mit seiner Gestaltung möchte er sowohl den Skatepark verschönern als auch den Charakter des Ortes einfangen.

Für den 50-Jährigen ist es nicht das erste Projekt in Ebersberg. Bereits im vergangenen Jahr bemalte er hier eine Wand im Skatepark. Der Rollsportverein kontaktierte damals den Kunstverein, ob man nicht einen Graffiti-Künstler kenne, der die Wand im Park bemalen könnte. Auf eine Ausschreibung meldete sich Daniel Man - und der Park erhielt eine riesige bunte Wandmalerei. Von dem Ergebnis waren alle begeistert. Als der Park dieses Jahr erweitert wurde, dachten sich Vorstandsmitglied Marinus Leitner und seinen Kollegen: "Da muss auch Farbe dran." Und fragten Man, ob er noch einmal nach Ebersberg kommen wolle. Dieser zögerte keine Minute: "Es ist einfach ein Traum hier zu arbeiten", sagt er. Der 50-Jährige schätzt die Offenheit und den Humor der Ebersberger Jugendlichen. "Da kann man sich einfach nur wohlfühlen!"

Das neue Graffito enthält eine Botschaft, doch die hat Schöpfer Daniel Man bewusst versteckt. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Der international bekannte Künstler war schon viel in der Welt unterwegs. Geboren in London, wuchs Man in China und Deutschland auf. Für Kunstprojekte reiste er unter anderem nach Istanbul, Los Angeles und London. Seine Werke reichen von riesigen Wandmalereien bis hin zu Skulpturen, Installationen und klassischen Gemälden. Heute lebt der Künstler in der Nähe von Augsburg, arbeitet aber hauptsächlich in München. Derzeit sind seine Werke im Lenbachhaus neben Bildern von Andy Warhol zu sehen. Dass er gemeinsam mit dem berühmten Mitbegründer der Pop-Art ausgestellt ist, sieht Man jedoch gelassen: Für ihn mache es keinen Unterschied, seine Werke im Lenbachhaus oder in einem Skatepark zu sehen. "Welchen Augen möchte man denn gerecht werden? Das sind am Ende immer die eigenen", sagt er. Für ihn ändere sich lediglich der Kontext, in dem ein Werk entstehe, der künstlerische Anspruch aber bleibe gleich.

Man ist bereits seit den 80er Jahren als Graffitti-Künstler unterwegs. Durch sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste in München entfernte er sich aber von der klassischen Street-Art. Erst in den vergangenen Jahren kehrte seine Leidenschaft für diese Form der Kunst zurück. Auch mit Skateparks hatte der 50-Jährige schon viele Berührungspunkte.

Bei seinem zweiten Besuch in Ebersberg ist dem Künstler vor allem eines wichtig: Er will mit seinem Bild ein Lebensgefühl vermitteln. Bevor er eine Skizze dafür anfertigte, fragte er also den Rollsportverein, ob es irgendein Wort oder einen Satz gebe, der den Park ausmache. Die Skater waren sich einig: Der Spruch "Home for Homies" bringe es auf den Punkt. Denn für Leitner und seine Kollegen ist der Ort nicht nur ein Sportpark, sondern auch sozialer Treffpunkt. "Jeder ist hier willkommen", sagt der 24-Jährige. Ob Anfänger oder Profi, die Türen des Skateparks stünden allen offen, das mache ihn zu einem Stück Subkultur. Auch deshalb ist das Projekt für Man eine Herzensangelegenheit: "Was hätte Ebersberg schon ohne den Skatepark?"

Fühlt sich sauwohl in Ebersberg: der 50-jährige Daniel Man. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Die Botschaft des Gemeinschaftsgefühls hat Daniel Man in seinem bunten Werk allerdings gezielt verborgen. Denn für ihn soll Kunst nicht komplett lesbar sein. Deshalb verfremdet er die Buchstaben und sprayt sie versetzt an die Wand. Der Betrachter soll an der Wand nach einer Botschaft suchen - und sich somit aktiv mit dem Bild auseinandersetzen.

In seinem ersten Ebersberger Graffito wollte Man mit seinen geometrischen Formen vor allem die Bewegungen der Skater symbolisieren. Dieses Jahr setzt er auf Lebendigkeit. Um dieser gerecht zu werden, spielt der Künstler mit Schattierungen und unterschiedlichen Farbschichten. Runde Formen treffen auf eckige, ein Auge mündet in einer Ecke in eine Explosion, der noch mehr Buchstaben entspringen. Mit diesem Motiv zitiert Man den Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein. Doch auch in seinem Symbolismus ist der Künstler bescheiden: Für ihn soll ein Werk nicht zu überladen sein. Vor allem an einem Ort wie dem Skatepark müsse er seine Kunst nicht akademisch aufladen. Er wolle mit seinen Farben hauptsächlich den Raum einnehmen und ein Gefühl der Dynamik entstehen lassen. Auch in seinem Schaffensprozess setzt der Künstler auf Intuition: "Man sollte sich nicht zu sehr den Kopf zerbrechen, sonst wirkt ein Werk zu gewollt", erklärt der Maler.

Eine leere Wand gibt es noch im Skatepark. Auch der Container könnte noch etwas Farbe vertragen. Vielleicht kommt Daniel Man ja im nächsten Jahr noch einmal wieder. Der Rollsportverein würde ihn bestimmt mit offenen Armen empfangen.

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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