Vernissage am Freitag:Die Fülle der Leere

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Der Münchner Fotograf Rainer Hofmann stellt in Grafing im Atelier von Robert Weber aus: Seine minimalistischen "Seestücke" sind feinsinnige, meditative Aufnahmen

Von Anja Blum, Grafing

Monochrome, statische Panoramen aus Wasser und Himmel: Auf manchen Bildern von Rainer Hofmann ist fast nichts zu sehen - und doch findet man in ihnen eine ganze Welt wieder. Eine innere Welt ist das, ein Universum der Emotionen. Es gehe ihm um ruhige Stimmungen, sagt der Fotograf aus München, um ein Innehalten im Moment. Und dieser Stillstand macht beim Betrachter Räume auf, für alle möglichen Gedanken. In der Galerie des Grafinger Bildhauers Robert Weber stellt Hofmann nun aus, die beiden Künstler kennen und schätzen sich seit Jahrzehnten. Lauter "Seestücke" hat der Fotograf für diese Schau ausgesucht, Bilder von zumeist minimalistisch-verträumten Wasserlandschaften. Ein bisschen wie Caspar David Friedrich, nur hinter der Kamera.

Rainer Hofmann absolvierte nach dem Studium der Philosophie seine Ausbildung bei verschiedenen renommierten Fotografen, seit 1990 ist er selbständig. In München hat Hofmann ein Studio für Werbefotografie, zu seinen Kunden zählen viele Hotels und Modelabels. Für deren Aufträge reiste der Fotograf schon oft durch Europa und die USA. Nebenher aber, vor allem unterwegs, entstanden auch immer freie Arbeiten, zumeist in Serien. "Ich habe über die Jahre einen Riesenfundus angesammelt", erzählt Hofmann.

Manche von Hofmanns "Seestücken" zeigen gar nur Wasser, Himmel und Horizont. Sie sind nun in einem Grafinger Atelier zu sehen. (Foto: oh)

Viele Fotografen jagen beim Thema Landschaft dem spektakulären Bild hinterher. Ansichten, die kaum jemand zu Gesicht bekommt, weil sie so selten sind oder so schwer zu erreichen. Bergaufnahmen in schwindelerregender Höhe, eine Herde Wildtiere, dramatische Gewitterfronten - so etwas. Diesem Kick jedoch entsagt Hofmann ganz bewusst. "Das ist nichts für mich", sagt er und lächelt. Er sucht vielmehr das Bild, das er im Inneren schon mit sich trägt, in Landschaften, die jeder ohne viel Aufwand betrachten kann. Für die Seestücke zum Beispiel hat der Münchner im Chiemgau fotografiert und in Italien. Das Besondere an seinen Bildern ist also nicht das Motiv, sondern die Art, wie er es in Szene setzt. Hofmanns Kunst überhöht den alltäglichen Moment. Selbst eine Fahrt mit dem Ausflugsdampfer auf dem Chiemsee wird hier zum Sinnbild.

Das Meditative seiner Arbeiten scheint auch dem Wesen des Künstlers zu entsprechen: Ganz gelassen, eher nachdenklich, manchmal verschmitzt lächelnd, erzählt er von sich, von Aufregung keine Spur. Nur bei wenigen Themen gerät Hofmann in Fahrt, etwa beim Datenschutz: Schwer sei es mittlerweile zu entscheiden, welche Aufnahme damit in Konflikt geraten könnte, sagt er. "Dabei ist das doch alles nur ein Ablenkungsmanöver für den Überwachungsstaat!" Das Problem: Am liebsten hat der Fotograf nicht nur eine Landschaft vor der Linse, sondern darin überdies ein paar Menschen. Deren Geworfensein in die Welt, ihre Einsamkeit wolle er darstellen, sagt er. Dazu inszeniert er die Umgebung - ein bestimmter Zeitpunkt und Lichteinfall, der gewählte Ausschnitt, all das führe schließlich zu einem subjektiven Blick.

Der Münchner Fotograf Rainer Hofmann liebt die Leere. (Foto: Christian Endt)

Hinzu kommt, dass Hofmann die meisten seiner Fotos später am Computer "entsättigt", sie also fast gänzlich ihrer natürlichen Farben beraubt. Das verleiht ihnen ein spezielles Entrücktsein, eine gleichsam zeitlose Atmosphäre. Taubenblaugrau - das ist bei den Seestücken die vorherrschende Farbe, höchst edel ihre Ästhetik. Manche sind sogar derart reduziert, dass ihre grafischen Anmutung ins Abstrakte ragt.

Wellen, Berge und Wolken schichtet Hofmann gekonnt übereinander, manchmal dräut ein zartes Abendrot darüber, manchmal wartet eine menschenleere Szenerie auf den gerade erst beginnenden Tag. Hier spiegelt sich Schilf im Wasser, dort scheint ein kleines Motorboot vor dem Nebel zu fliehen. Besonders stark aber sind jene Aufnahmen, die einzelne Menschen am Wasser zeigen. Ein alter Schwimmer, der langsam hinaus watet, eine junge Frau, die von einem Steg hinunter blickt. "An was denken diese Leute gerade? Auf was warten sie? Was für ein Leben führen sie? Welche Hoffnungen haben sie?" Die äußere Leere einer Szenerie ist für Hofmann der Schlüssel zu seiner feinsinnigen, "emotionalen Fotografie".

Manchmal aber kommt auch Bewegung ins Spiel: Zwei Aufnahmen zeigen einen dramatischen Wetterwechsel, wie er über Bergseen ja häufig vorkommt. Es regnet plötzlich heftig, was aber nur an einer sehr aufgewühlten Wasseroberfläche zu erkennen ist. Ein paar Menschen, die bis dahin den See vermutlich jeweils auf ihre Weise genossen haben, schwimmend oder nur stehend vielleicht, strömen mit einem Mal alle in die selbe Richtung, zum Ufer nämlich. "Bloß raus hier!", meint man sie denken zu hören. Für Hofmann eine "biblische Szene". Und auch Humor lässt der Fotograf das ein oder andere Mal erkennen, etwa in Form von bunten Tretbooten am dunklen, abendlichen Eibsee. In Reih und Glied, von einem Scheinwerfer grell angeleuchtet, scheinen auch diese lustigen Gefährte zu warten - vielleicht auf den nächsten Tag, an dem sie wieder viele Familien glücklich machen dürfen?

Fotoausstellung "Seestücke" von Rainer Hofmann im Atelier Robert Weber in Grafing, Griesstraße 18 (Innenhof). Vernissage am Freitag, 26. Oktober, von 18 Uhr an. Zu sehen bis 4. November, montags bis freitags 10 bis 18 sowie samstags und sonntags 11 bis 20 Uhr.

© SZ vom 24.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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