Verhandlung:Folgenreicher Joint

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Ein 22-Jähriger wird wegen der Abgabe von Drogen an eine 16-Jährige mit sechs Monaten auf Bewährung bestraft

Wer eine 16-Jährige an einem Joint ziehen lässt, bekommt die volle Härte des Gerichts zu spüren. Das Gesetz hat die Abgabe von Drogen an Minderjährige streng geregelt. Der Strafrahmen für das Überlassen von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren liegt nicht unter einem Jahr Freiheitsstrafe und wird laut deutschem Strafrecht als Verbrechen definiert.

22 Jahre alt ist der junge Mann auf der Anklagebank, der sich vor dem Schöffengericht wegen der unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Minderjährige sowie den Besitz von Betäubungsmitteln verantworten muss. Auf Anraten seiner Verteidigerin macht er keine Angaben. Das muss er auch nicht. Zwei Zivilpolizisten, die den jungen Mann an einem Abend im Mai kontrollierten, können sich noch gut an den Vorfall erinnern. Routinemäßig hielten sie bei einer Verkehrskontrolle ein Auto an. Auf der Rückbank saß der 22-Jährige neben seiner volljährigen Freundin und deren 16-jährigen Schwester. Die Mutter der jungen Frauen steuerte den Wagen.

Als die beiden Polizisten die Fahrerin um ihre Papiere baten, rochen sie durch das heruntergekurbelte Fenster Marihuana. Wie sie dem Schöffengericht berichten, kruschte der 22-Jährige, der hinter der Fahrerin saß, nervös mit seinen Händen unter den Oberschenkeln herum. Er musste aussteigen. Auf der Rückbank lagen Brösel und Ästchen einer Marihuana-Pflanze.

Weil die Augen des 22-Jährigen und der beiden Schwestern stark gerötet und die Pupillen klein waren, vermuteten die Polizisten, dass die drei gemeinsam einen Joint geraucht hatten. Dies, so teilen beide Beamte dem Gericht mit, habe der 22-Jährige zugegeben. Die Mädchen seien sehr schüchtern und still gewesen. Die Mutter hatte die drei vom Sportplatz abgeholt und musste sich vor den Polizisten rechtfertigen, warum ein Utensil zum Zerkleinern der Drogen in ihrer Handtasche lag. Das hatte der 22-Jährige vor der Kontrolle rasch dort versteckt, wie er den Polizisten reumütig erklärt haben soll. Die beiden Schwestern machen von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und schweigen auch vor Gericht. Für die Staatsanwältin ist der Fall jedoch eindeutig. Der 22-Jährige habe mit den Schwestern einen Joint geraucht. Sie spricht von einem minderschweren Fall und plädiert auf eine siebenmonatige Bewährungsstrafe sowie eine Geldauflage von 1000 Euro. Die Verteidigerin sagt, eine Freiheitsstrafe für einen nicht vorbestraften jungen Mann halte sie für "weit überzogen". Die Angaben des Angeklagten vor den Polizisten reichen ihrer Ansicht nach nicht für eine Verurteilung aus. Zudem bemängelt sie, dass ihr Mandant nicht ordnungsgemäß über seine Verfahrensrechte belehrt worden sei.

Das sieht das Schöffengericht unter dem Vorsitz von Richter Markus Nikol anders und verurteilt den 22-Jährigen wegen der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und den Besitz von selbigem zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Laut Nikol erfolgte die Belehrung ordnungsgemäß. Mit einer Geldauflage von 600 Euro an die Suchtberatung Grafing entlässt er den Angeklagten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

© SZ vom 10.11.2020 / lela - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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