Vereine im Kreis Ebersberg:"Die Drähte glühen"

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Nach Monaten des Stillstands dürfen die Vereine im Landkreis wieder ihren Betrieb aufnehmen. Im Lockdown sind viele Mitglieder ausgetreten - nun beginnt die Gegenbewegung.

Von Jörg Lehne

Mit den sinkenden Inzidenzahlen kehrt nach und nach das Leben in die Vereine des Ebersberger Landkreises zurück. Über Monate hinweg haben deren Mitglieder zwar weiterhin ihre Beiträge bezahlt, allerdings wenig Gegenleistung dafür bekommen. Freilich war das nicht die Schuld der Vereine, sondern Folge damals geltender Infektionsschutzmaßnahmen. Nun, da langsam wieder so etwas wie Normalität Einzug hält, stellt sich die Frage, ob die Mitglieder ihren Vereinen auch die Treue gehalten haben. Laut Ingrid Golanski, der Kreisvorsitzenden für den Landkreis Ebersberg beim Bayerischen Landessportverband, seien den etwa 100 Vereinen im Landkreis dieses Jahr im Vergleich zum Vorjahr etwa 3000 Mitglieder verloren gegangen. Besonders getroffen habe es die Sportvereine.

So etwa beim TV Markt Schwaben, wie Alexandra Rupprecht von der Geschäftsstelle sagt. Der Verein habe mit vielen Austritten zu kämpfen gehabt. In der Turnabteilung habe man den Mitgliedsbeitrag sogar zeitweise halbiert, doch wer in den vergangenen Monaten seinen Job verloren hat oder in Kurzarbeit war, der konnte sich womöglich auch das nicht mehr leisten, so Rupprecht. Dabei sei es normal, dass pro Jahr viele Mitglieder den Verein verlassen würden, sagt Dominic Mayer, Geschäftsführer des TSV Ebersberg. Auch der eigene Verein habe einen großen Mitgliederschwund zu verzeichnen, das sei aber im Rahmen der normalen Fluktuation. Gefehlt hätten jedoch die Neuzugänge. Mit ähnlichen Schwierigkeiten kämpft die Tanzsportgemeinschaft Da Capo aus Ebersberg. Der Verlust von etwa 15 Prozent der Mitglieder sei schon schwierig gewesen, sagt Konstanze Gerlich. Aber "was uns jetzt auf die Füße fallen wird, ist, dass wir keine Neuangebote machen konnten". Auch fehle der Nachwuchs.

Mit Online-Angeboten und Training im Freien konnte der Taekwondo-Verein Kirchseeon dagegen fast alle seine Mitglieder halten und sogar einige dazugewinnen. Damit gehörten sie allerdings zu den Glücklichen, sagt Alexander Berghammer. Er wisse von 20 Schulen innerhalb der Bayerischen Taekwondo Union, die hätten schließen müssen - keine davon jedoch im Landkreis Ebersberg.

Besonders hart getroffen hat es den TSV Vaterstetten, obwohl die Kündigungszahlen ähnlich ausgefallen seien wie in den Jahren davor, sagt der stellvertretende Vorstand Niklas Stumpf. Es habe bloß kaum Neuzugänge gegeben. Die fehlenden Beiträge seien zwar teilweise durch die gleichzeitig sinkenden Kosten des Vereins ausgeglichen worden. Doch sei es auch Sonderzahlungen der bayerischen Sportförderung zu verdanken, dass es den Verein nicht härter getroffen habe. Ein Punkt, den auch Ingrid Golanski betont. Die für die Vereinspauschale vom Freistaat zur Verfügung gestellten Mittel seien in diesem und im vergangenen Jahr verdoppelt worden. Das habe zwar vor allem großen Sportvereinen eine Erleichterung gebracht, sei aber sicherlich ein Hauptgrund dafür, dass von den Vereinen des Landkreises relativ wenig Beschwerden an den Landessportverband herangetragen worden seien.

In Städten gäbe es mehr zu jammern, sagt sie und gibt auch eine Erklärung für dieses Phänomen: "Die Dorferer haben andere Inhalte." Vereine begreife man auf dem Land in der Regel nicht nur als Dienstleister, wie es in Städten eher der Fall sei. Sie bildeten vielmehr einen wesentlichen Teil des Gesellschaftslebens. Viele kündigten daher nicht gleich ihre Mitgliedschaft, nur weil das Angebot kurzzeitig stagniert. Das ist vor allem abseits des Sports zu beobachten.

"Gut schaut's aus, wie immer", sagt Max Ascherl vom Verein d'Angelbrechtinger Goaßlschnoizer aus Poing. Alle 30 Mitglieder sind ihrem Verein treu geblieben, selbst in den Monaten, in denen es nicht möglich war zusammenzukommen. Auch beim Trachtenverein "Ebrachtaler" in Ebersberg haben die Mitglieder die Treue gehalten, wie Waltraud Wiefarn sagt. Der Beitrag sei jedoch auch nicht hoch. Ähnliches hört man von der Schachunion Ebersberg-Grafing. Ihr erster Vorstand, Georg Schweiger, kann sich nicht beklagen, lediglich bei den Jugendlichen habe es vielleicht zwei Abmeldungen gegeben. Die Verbliebenen hätten die Zwischenzeit mit der Schach-Online-Liga überbrücken können. Bei den ersten Klubabenden habe sich aber dennoch gezeigt, dass das Miteinander gefehlt habe, so Schweiger.

Mit Online-Angeboten ließ sich so einiges kitten, wie es scheint. Eigentlich lebt die Deutsche Pfadfinderschaft St. Georg gerade von gemeinsamen Treffen. Trotzdem konnte der Stamm Windrose aus Anzing/Poing seine Stunden durchgehend auch online abhalten. Das macht sich nun bezahlt, denn laut Dominik Hohl würden sämtliche Kinder wieder zurückkommen. Für Anfang August sei sogar bereits ein Sommerlager geplant. Drei der Aufsichtspersonen hätten sich in der Zwischenzeit schulen lassen, um medizinische Schnelltests abzunehmen. So sei die Sicherheit aller Teilnehmenden gewährleistet.

Gelassen gibt sich auch Johann Ametsbichler vom Obst- und Gartenbauverein Frauenneuharting. Die vergangenen Monate hätten dem Verein nichts ausgemacht, finanziell zumindest. Von den 180 Mitgliedern seien zwei verstorben, es seien aber auch neue dazugekommen. Die Arbeit mit Kindern sowie jede Aktivität, die das Vereinsleben ausmache, sei dagegen weggefallen. Seit September 1893 gibt es den Gartenbauverein; mehr als 127 Jahre sind das. Ametsbichler ist aber auch guter Dinge für die Jahre, die noch kommen.

Sogar die leidgebeutelten Sportvereine haben allen Grund zur Zuversicht. Denn über die vergangenen Monate hat sich viel Bewegungsdrang bei der Bevölkerung angestaut und jetzt sind die Schleusen geöffnet. "Die Drähte glühen", sagt Alexandra Rupprecht vom TV Mark-Schwaben, so viele Anfragen seien in den vergangenen Wochen eingegangen. Beim TSV Ebersberg steigen die Zahlen ebenso seit Mai. Nicht wenige der Neuanmeldungen seien Kinder. Dominic Mayer war bei den ersten Trainingseinheiten dabei: "Wenn man sich die Kids angeschaut hat, waren die nur noch glücklich."

Ebenso beim TSV Vaterstetten: "Die Jungs brennen alle", findet Niklas Stumpf. Aber das Training mit den Kindern sei auch "noch nie so anstrengend" gewesen, sagt er. Sicherlich sind die Vereine nicht allein in ihrer Freude über diese Entwicklung. Kaum auszudenken, was manche Eltern die vergangenen Monate durchleben mussten.

© SZ vom 06.07.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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